Montag, 31. Januar 2011

DIE KUFEN-HUMMEL VERNEIGT SICH VOR SARAH MEIER

Die Zeitungen von heute titeln begeistert: "Die Gnade des perfekten Momentes".
"Von Pechmarie zu Goldmagie" und "Das Eismärchen".
Ich habe diesen Moment am Samstag miterlebt - und davon muss ich euch unbedingt erzählen.

Ich beginne ... beginne ... vor ungefähr 46 Jahren.
Da stand klein Fränzi Sternenzauber zum ersten Mal auf dem Eis. Mit Schlittschuhen an den Füssen. So ähnlich wie eine kleine Hummel auf Kufen. Eislaufen war mein ganz grosses Hobby! Nix hat mir mehr Spass gemacht, als Kringel auf das gefrorene Wasser zu zwirbeln, Pirouetten zu machen, hier ein Sprung und da eine - für Hummelverhältnisse - gewagte Figur. Jedenfalls hatte ich Riesenfreude daran!
Bewundert habe ich am Fernsehen die Grazien, welche schier schwebend und sich im Applaus der Menge badend über das Eis bewegten und am Ende des Tages so toll glitzernde Dinger an einem farbigen Bande um den Hals gehängt bekamen.
Das wollte ich auch!

Meine Eltern machten diesen kühnen Träumen aber ein rasches Ende - ich sollte Tennisstar werden. Und wenn nicht das, dann halt wenigstens ein Ass in Handball oder Leichtathletik. Sagte damals mein Vater. Logisch ... er war lange Jahre Trainer der Schweizer Handball-Nationalmannschaft und später Trainer berühmter Leichtathleten - leitender Trainer der Mehrkämpfer in München an der Olympiade.

Und ich - ich "nur" Hüpfdrossel auf dem kalten Eis.
"Aus dem Mädchen wird nie was!" statuierte mein Vater, als sich mein Talent beim Weitsprung als etwa vergleichbar mit einem nassen Sandsack erwies. Einem sehr nassen Sandsack.
Auf der Aschenbahn zeigte ich mich eher als eine getunte Schnecke GTI denn eine kommende Anwärterin auf den Schweizermeistertitel im Sprint. Vom Hochsprung wollen wir jetzt mal gaaaar nicht reden. Da schien der hüpfende Sandsack von der Weitsprunganlage noch zusätzlich mit Bleigewichten beschwert.
Mit anderen Worten: ich hatte voll gelost.
Vater war gar nicht stolz.

Mit dem Tennis hat es dann einigermassen hingehauen - bis genau zu dem Zeitpunkt, als ich Hugo kennenlernte. Hugo war meine erste grosse Liebe und lenkte mich völlig davon ab, in die Fussstapfen der Martina Navratilova zu treten. Und somit war die Tenniswelt um eine Attraktion ärmer, ich dafür um Hugo reicher.
Und meine Eltern völlig desillusioniert.
Somit hatte sich meine sportliche Karriere im Sande verlaufen, um nicht zu sagen vergraben - ich werde auf immer und ewig ein No-Name-Produkt bleiben. Und mein Medaillenschrank gähnend leer. Damit kann ich leben. Gut.

Vorgestern habe ich mir dann am Nachmittag zwischen Ordner entrümpeln und mit Sohn Nr. 1 den endlich auseinander gebauten Schrank nach unten tragen helfen, die Europameisterschaft im Eiskunstlauf angesehen. Eigentlich auch nur aus dem Grunde, weil eine Freundin mich anrief, sie sei in Bern im Eisstadion, würde neben der Bank der Juroren sitzen und ob man sie eventuell am TV winken sehen würde? Es sei die Abschiedsvorstellung von unserem ewigen Schweizer Pechvogel, der Sarah Meier. Immer dabei, doch nie der grosse Erfolg.  Im Training top, am Wettkampftag flop. Dauernd verletzt ... eben das personifizierte Pechvögelchen.
Meine Freundin sah ich übrigens an TV nicht, dafür die Läuferinnen. Eine um die andere patzerte, flog vorne auf die Nase und hinten auf den Po.

Dann kam Sarah. Kurz vor Beginn der EM gerade eben noch nominiert, gerade eben noch von total flügellahm zu halbwegs flugtauglich genesen. Dann kam also sie. Sarah.
Ihr letzter Auftritt. Ihr grosser Auftritt. Vor Berner Publikum ... und dieses Publikum trug sie auf Händen. Und aufs Eis.
Sarah setzte Fuss vor Fuss. Sprang hoch, sprang weit, sprang sicher. Zwirbelte in der Luft, zauberte auf dem Eis und lächelte dabei.



Ich hielt inne in meinem Tun, ich war im Banne dieser paar Minuten Eiskunstlauf. Ich hatte Gänsehaut pur und jedes Härchen stand zu Berge. Was ich sah, das hatte ich noch nie gesehen! Der Kommentatorin, den Zuschauern, den Mitkonkurrentinnen - allen blieb der Ton weg. Sarah Meier lief eine Kür, wie sie noch nie gelaufen wurde. Traumwandlerisch sicher. Und dieser Ausdruck ... stark, einfach nur stark. In jeder Hinsicht!
Die letzten Takte der Musik verebbten und die Welt stand einfach still in diesem Augenblick. Tosender Applaus, tobende Menge, ungläubiges Staunen. Ist so was möglich?

Noch nie in meinem Leben habe ich beim Eiskunstlauf geheult - wie käme ich auch dazu? Aber in diesem Augenblick liefen mir die Tränen nur so runter, ich atmete nur noch stossweise und heulte zuletzt wie ein waidwunder Wolf. Das ging derart unter die Haut. Ich kannte mich selber nicht mehr.
Dann diese Spannung bis zur Punktevergabe - ein Wunder lag in der Luft. War greifbar. Diese Aufregung! Und dann die Erlösung:


Sarah Meier ist Europameisterin!



Ich schlucke auch jetzt schon wieder, wenn ich zurück denke.
Und schöner als es heute Morgen in der Zeitung stand, hätte ich es weiss Gott auch nicht sagen können - es war wirklich:

DIE GNADE DES PERFEKTEN MOMENTES

10 Kommentare:

Birgitt hat gesagt…

...gerade wollt ich dich, liebe Fränzi noch ermuntern -wenn auch nicht bis zur Meisterschaft, bis zu ein paar Runden und Sprüngen auf dem Eis wirst du es wohl noch schaffen können- aber bei deinen letzten Sätzen blieben mir solche frotzelnden Worte im Halse stecken.
Ja es ist ein besonderer Moment, jetzt, wo eigentlich Schluß ist, noch so ein Erfolg. Vielleicht war früher einfach der Druck zu groß.
Dir wünsche ich einen schönen Montag,
liebe GRüße von Birgitt

Rosine hat gesagt…

Hallo du Liebe, kann sie auch singen? Dann kann sie doch beim Grandprix mitmachen und dein erster Freund hieß nicht wirklich Hugo?!!Oder?

Liebe Grüße
Rosine

Sternenzaubers Geschichtenhimmel hat gesagt…

Liebe Birgitt

Du hast eigentlich recht - ich sollte es wieder mal probieren. Unter der Voraussetzung: ich hab auch im Krankenhaus Internetanschluss. :-)

Auch Dir einen wunderbaren Montag
♥lichst Fränzi Sternenzauber

Heidegeist hat gesagt…

Ich knuddel dich für diesen Post. EISLAUFEN...Ich liebe es, auch heute noch. Sagt dir Kilius und Bäumler noch etwas ?? Oh, da habe ich immer gezittert und mitgeheult und gefiebert. Und nun werde ich mir deinen Post nochmal genüßlich reinziehen. LG Inge

Sternenzaubers Geschichtenhimmel hat gesagt…

Liebes Rosinchen

*LAUTLACH* !!!
Genial. Das wegen dem Grandprix muss ich unbedingt an kompetente Leute weiterleiten :-). So ein Blindflugkandidat kann es bringen! JAWILLL! Wir siegen in Düseldorf, ich sehe es kommen. :-)

Doch, er hiess Hugo. ehrlihc. War aber trotzdem ein ganz Lieber. :-)

♥lichst mit Lächeln
Fränzi Sternenzauber

Heidegeist hat gesagt…

Boah, dieses Video darf ich in diesem meinem Land nicht gucken......Wegen Content oder so... Grummel vor mich hin...

Sternenzaubers Geschichtenhimmel hat gesagt…

Liebe Inge

Oh ja, und wie mir das was sagt! Hab ich doch als Kind sooo gerne geschaut!
Und wegen dem Video - blöd! Schau einfach mal unter YouTube, Sarah Meier. Vielleicht klappt es dann so. Ich drücke Dir die Daumen!
♥liche Lächelgrüedsslis
Fränzi Sternenzauber

Anonym hat gesagt…

Grrrr.... wie ich diesen SAAAATZ von JuTube hasse:
Dieses Video enthält Content von...
Leider kann ich es von hier aus nicht anschauen, aber ich bin nach deiner Schilderung sicher, es war meisterhaft.

Was Eltern anbelangt (kopfschüttel). Ich kenn das und kann eine Arie drüber singen.
Bei meinem Sohn wollte ich es besser machen, darum ist er jetzt fast dreißig und studiert nun Theologie (grins).

Schönen Sonntag, woll ich grad schreiben. Bin in der Zeit zurück oder zu weit vor.
Meinte - schönen Montag.

Die Mauve

PS: Hoffentlich enthält mein Beitrag keinen verbotenen Content, so dass er zu lesen ist (hüstel).

alice hat gesagt…

hallo Sternenzauberin
Nachdem ich deinen Eintrag auf Facebook gelesen hatte, machte ich mich dann doch auch noch ein bisschen schlau und sah mir Wiederholungen und Ausschnitte von diesem Traumlauf an, und ich bin wie du....Tränen, ja Bäche fliessen da bei mir, ich weiss gar nicht wo all das Wasser so herkommt!
Es war einfach toll!

Von wegen Hugo.
Du hast mich wieder mal an meine Geschichte erinnert. Als ich meinen Schatz (der heute mein Ehemann ist) kennenlernte, war ich Mitglied im Rollschuhclub. Ich war eigentlich auch schon echt gut, drehte Pirouettes, sprang Salchows und und und.
Da ich noch sehr jung war und andere Zeiten als heute herrschten, mussten wir uns immer heimlich treffen. Also war mir dann das Rollschuhfahren nicht mehr so wichtig. Ich warf sie hinter dem Haus unter ein Gebüsch, hatte mit meinem Schatz ein Rendevous, anschliessend holte ich meine Rollschuhe wieder hervor und ging nach Hause, als wäre nichts gewesen ausser rollschuhfahren.
Bis...ja bis eines Tages die Rollschuhe nicht mehr unter dem Gebüsch lagen, als ich nach hause kam. Ich wurde verraten von einer Hausbewohnerin....
Das ist die Geschichte, warum ich keine hochkarätige, weltbekannte Rollschuhfahrerin geworden bin. Dafür habe ich meinen Göttergatten, ist noch einen Ticken mehr wert :-)
Ich habe mich anschliessend noch an einem Englischkurs angemeldet....kann man sich vorstellen, warum ich nicht so richtig englisch sprechen kann?
Liebe ♥lichen Grüessli
Alice

Anonym hat gesagt…

aaarrrggghhh ich könnte auch grad heulen ...
vor WUT!!!!
SCHEI** YOUTUBE!!!!!
Ich kann diese Contigent-Grünze nicht mehr lesen!
tiefLuftundzurErklärungansetzt
Obwohl ich bei Youtube gemeldet bin und auch das eine oder andere Video als Favorit und auch sooo einige Videos hochgeladen habe, so muss ich mich doch ständig mit dem Mist rumschlagen, dass ich keine Videos aus einigen anderen Ländern ansehen kann.
Wie kommt DE darauf, dass das "schädlich" für uns Deutschen sein könnte?
Man, das regt mich echt auf.
Bist nicht die einzig mit der ich mich aus der Schweiz schreibe. ;)
Daher ist das schon normal, wenn sie mir dann Videos zeigen will und ich am Liebsten die Kofferpacken und umziehen will, weil nichts zu sehen ist.
Tja so bleibt mir nur dein toller Bericht und das Kino im Kopf dazu.
Ein ein Pechvogel hat eben mal GlücK.
Glückwünsch an sie.
gglg Nici
PS: Tschuldigung für´s Auskotzen, aber das regt mich immmer so auf.

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