Mittwoch, 19. Oktober 2011

LIEBES FRÄULEIN ZITRONE ...

... wir werden keine Freundinnen.
Nie im Leben.

Aber ich möchte Ihnen trotzdem meine heutige Bloggeschichte widmen. Vielleicht lesen sie die ja. Aller Wahrscheinlichkeit nach nicht. Sogar ganz sicher nicht. Weil ... sonst müssten Sie ja eventuell ein wenig schmunzeln. Was so viel heisst wie; die Mundwinkel kaum merklich in Richtung Himmel zu verschieben. Mit einer leichter Erheiterung im Wesen. Aufwärts.
Das ist, ich muss es gestehen, in ihrem Fall doch ein bisschen viel verlangt. Geht gar nicht.
Sie entschuldigen die Gedanken der Eventualität meines Vorschlages.

Also, Fräulein Zitrone ... wie ihr Tag begann weiss ich nicht ganz genau. Um genau zu sein - ich weiss es gar nicht. Meiner begann soweit normal. Wie Morgende im Herbst eben so sind um 06.00 am Bahnhof. Noch dunkel, eher kühl. Aber gibt mir das gleichzeitig die Berechtigung einer schlechten Laune? Das wäre wahrlich zu einfach. Oder, Fräulein Zitrone?
Na ja, dass dann der Zug nach Bern knallvoll war und nur noch neben Ihnen Platz. War das Pech? Und wenn ja - für wen? Jedenfalls sah ich sofort ihren nonverbalen Protest gegen einen seitlichen Sitznachbar. Sie haben den Platz schön dekoriert mit Handtasche, Jacke, Zeitung. Gut verteilt und allen Anwesenden signalisierendend: "Ich will keinen hören, keinen sehen - und schon gar nicht neben jemanden neben mir sitzen haben. Punkt".

Solch Gebaren am frühen Morgen ruft in mir automatisch Widerstand hervor. Und ich wagte Sie sehr höflich - Sie anlächelnd zu fragen: "Ist der Platz neben Ihnen noch frei?". Ihr verkniffenes, frustriertes, böse dreinblickendes Stiefmütterchengesicht mit dem Mörderblick und dem gleichzeitig sehr widerstebenden, stummen Wegräumen von Tasche, Jacke und Zeitung sagte mir klar, wenn auch ohne Worte: "Nein!".
Natürlich ignorierte ich Ihre mir ins Gesicht springende Aggression. Im Gegenteil, ich bedankte mich mit freundlichen Worten und einen Zuckerlächeln: "Das ist lieb - herzlichen Dank!". Worauf mir ihr Mörderblick wiederum stumm antwortete: "Stirb! Aber leise!".

Ich starb aber nicht - heute ist nicht der Tag dafür. Hab zu viel zu tun. Sie entschuldigen.
Da sassen wir nun also - Sie, wertes Fräulein Zitrone und ich, abwartend, was uns in den 20 Minuten nach Bern noch so alles passiert. Wange an Wange, in schöner Eintracht. Also - um genau zu sein, A...backe an A...backe.
Sie sind nämlich auch so ein Rubensmodell wie ich. Wir waren uns ergo sehr nah. Darf ich Ihnen sagen, dass Sie sicherlich wesentlich besseren Anklang in Ihrer Umgebung finden würden, würden Sie z.B. regelmässig duschen? Sich schön kleiden würden. Sich etwas pflegen würden. Etwas Humor haben würden. Lächeln würden.
Und vor allem ... Menschen mögen würden.
Das Leben ... lieben würden.

Ihr Gesicht und Ihre Haltung machen den Eindruck, als hätten Sie süsse Mango erwartet und in saure Zitronen gebissen. Ja, so geht es uns Allen manchmal im Leben. Nix mit Ponyhof. Ich weiss, Fräulein Zitrone - und wie ich weiss! Aber das hilft alles nichts. Im Gegenteil, ergibt man sich der Griessgrämigkeit und der Resignation, verfällt in Lebensunlust und Frustration, dann geht es garantiert nicht aufwärts!
Das lassen Sie sich mal gesagt sein.

Sie, Fräulein Zitrone, sind bestimmmt 20 Jahre jünger als ich - aber Sie sind sozusagen bereits jenseits des Jordan. So im übertragenen Sinne gesehen. Wenn ich das mal so sagen darf.
Wenn ich dran denke, wie Sie sich heute Morgen schlafend gestellt haben, als die Billettkontrolle durch den Waggon kam. Und wie Sie dann die nette Dame angeblafft haben, von wegen "Störenfried".
Fräulein Zitrone, Sie sind nicht nett.
Und meine Arschbacke hat förmlich jubiliert, als sie nicht mehr neben der Ihren sitzen musste.

Liebes Fräulein Zitrone und derartig Anverwandte - wie wäre es mit etwas weniger Pittbull im Wesen ... dafür ...

(Bild von hood.de entliehen)


... ETWAS MEHR MENSCH IM SEIN?

4 Kommentare:

die Malerin hat gesagt…

Du sprichst mir aus der Seele, mein Schwesterchen. Ich habe so ein Wesen,kein Fräulein, eine Frau Zitrone als Nachbarin, sie ist so alt das sie meine Mutter sein könnte und hat auch im Wesen ein Pittbull. Neid und hasserfüllt würde sie mich am liebsten durch Blicke schon töten, wenn ich frisch und fröhlich aus der Haustür schreite. Wenn Du so eine Nachbarin hast, brauchst Du keine Feinde mehr.

ganz, ganz liebe Grüße Lydia, die sich durch sowas nicht einschüchtern lässt

Anonym hat gesagt…

ja wie wahr da sist und so was habe ich auch erlebt ob im Bus oder Bahn .. warum müssen nur so Menschen sein.. gut haste gemacht und dich nicht abschrecken lassen von der Zitrone
Lieben Gruss Elke

alice hat gesagt…

ach das kommt mir doch sooo bekannt vor, auch wenn ich schon sooo lange nicht mehr Bahn gefahren bin, es gibt sie ja überall, die Zitronen, zum Beispiel an der Kasse im Lebensmittelgeschäft, als Servierdüse....usw.
aber daraus eine solch atemberaubende Geschichte zu schreiben, nein, das wäre mir weder in den Sinn gekommen, noch hätte ich sie so toll hinbekommen!
Was konnte ich wieder lachen....und ich druck sie gleich mal aus und gebe sie meinem Herzallerliebsten auch noch zu lesen!
Unser Tag ist gerettet!

♥lichi Grüessli, Alice

Regina hat gesagt…

Tolle lustige Geschichte, die wohl jeder von uns in abgewandelter Form erleben durfte. Ein großes Kompliment an deine lustigen Schreibkünste. Ich würde einen Roman von dir sofort kaufen.....
( meine Freundin meint angesichts von manchen Zitronenmenschen immer:" Sauer macht lustig" und ist zu denen besonders freundlich.
lg
Regina

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