Samstag, 7. Mai 2011

BELASTUNGSWOCHENENDE UND EIN PAAR KLARE WORTE AM RANDE

Nicht dass ich jetzt als Ketzerin verschrien werde - aber bleibt einem manchmal nicht einfach die Ironie, um während einer schwierigen Zeit nicht in das grosse, schwarze Loch zu fallen? Lacht man nicht manchmal um nicht weinen zu müssen?

Ich geh heut ein zugegebenermassen heikles Thema mit Augenblinzeln und dem einen oder anderen Lachfältchen in den Mundwinkeln an. Ich bin in der glücklichen Lage es noch in der Hand zu haben ob mein Glas halbvoll oder halbleer ist.
Und solange ich noch einen Sternenzauberfunken Fränzi Original in mir spüre, wird es immer halbvoll bleiben. Das wage ich mir zu versprechen!

Also: Belastungswochenende.
Letzten Donnerstag Abend rief mich mein Kater an, um mir zu berichten, dass er vom Freitag bis Sonntag zum sogenannten "Belastungswochenende" nach Hause müsse, dürfe, komme ... was auch immer. Wahlweise. Für diejenigen die meine Lebensgeschichte nicht tieferschürfend kennen: Mein Mann - genannt Kater, Katerli, Katerli-Schätzu oder auch nur Mann, im schlimmsten Falle Mann!! (man höre imaginär die Ausrufzeichen) - hat ein, sagen wir mal, ereignisreiches Leben hinter sich. Von Unnötigem viel zu viel, vom Nötigen viel zu wenig. Und dann merkt mann mit bald 47, dass da Grundsätzlichstes schief gelaufen ist. Teufelskreise entstehen, Lügengebäude geraten ins Wanken ... die Seele macht da plötzlich nicht mehr mit, der ganz grosse Kollaps droht nicht nur, er passiert. Unvermittelt und mit unbarmherziger Härte.
Das war im 2010. Er hatte sich in seinem Leben verloren, ganz und gar.

Mehr als ein halbes Jahr Klinik, dann Tagesklinik, viel Arbeit an und mit sich - und die berechtigte Hoffnung, es zu schaffen. Chaos aber auch in mir - die neue Situation war für mich alles andere als leicht zu begreifen, zu akzeptieren. Da sieht man sich plötzlich einem ganz anderen Menschen gegenüber, erkennt die Trümmer in diesem Leben des Partners und muss aufpassen, nicht selbst ein Trümmerteil zu werden. Man zerbricht daran schneller als man denkt ...
Viel Arbeit, ganz viel Arbeit auch für mich - Angehörige werden oft vergessen und nur als Randfiguren betrachtet. Ressource. Ich kann das Wort nicht mehr hören - weil ich nicht Ressource, sondern Mensch bin, Frau bin.

Ende letzten Jahres der grosse Knall ein paar Tage vor Therapieende: Job weg. Und somit viel viel an dringend notwendigen Perspektiven für ihn. Die späte Einsicht, seinen Beruf nie wieder ausüben zu können. Zu viele sogenannten Trigger-Punkte. Trigger heisst in diesem Sinne "Auslöser". Fallen, Stolpersteine - Gefahr. Nie mehr ins Büro, nie mehr an den Computer. Handwerk muss her, Zufriedenheit mit Geleistetem ... am Abend in die Hand nehmen können, was tagsüber geschaffen wurde.
Doch ... wie macht man das? So ganz ohne Selbstvertrauen? Und nur Angst im Nacken?

Nach einer kurzen Phase des zu Hause Seins kam Anfang dieses Jahres der grosse Rückfall in alte Muster und eine Depression, die ihresgleichen sucht. Jeder Atemzug zu viel für ihn. Lähmung, Stille, Rückzug, Aggression gegen sich und andere. Ein nicht zu ertragender Moment.
Eine persönliche Bankrotterklärung.

Eine Situation, welche ich nicht mehr mittragen konnte. Nicht nur kein mehr WOLLEN - auch kein mehr KÖNNEN. Mit viel Leid, Tränen und zugegebenermassen auch Wut zusehen, wie der Andere immer weiter in die Tiefe fällt, nicht mitfallen wollen. Nein, auf keinen Fall.
Ihn loslassen, um weiterleben zu können. Ihn wegschicken, weit weg - in die Klinik. Diesmal ein Gang, den er ohne mich antreten musste. Nicht wie im letzten Jahr.
Tat weh und tat vor allem gut.

Das war vor einigen Monaten. Seither ist viel Zeit vergangen in der ich wiederum viel gelernt habe. Ich bin auf dem Weg - meinem Weg, seinen Weg im Augenwinkel behaltend. Ich habe mal mich in den Mittelpunkt gestellt, meine Bedürfnisse, mein Leben. Er musste zu sich schauen, ich zu mir.
Diesmal hatte wir nur eine Paarsitzung in der Klinik - ich leite seit Anfang dieses Jahres eine Selbsthilfegruppe für Angehörige von Menschen in ganz kritischen psychischen Situationen. Dies ist wohl auch der Grund, dass ich gelernt habe, meine Bedürfnisse mindestens ebenso ernst zu nehmen wie die Bedürfnisse meiner Mitmenschen. Ich bin immer da wenn man mich braucht, aber zuerst komme ich. Weil ich auch erst DANN im guten Sinne parat für Andere bin.
Eben nicht Ressource ...
Das habe ich den Aerzten, Therapeuten in der Klinik auch erklärt - und dass ich keine zurecht gebogene Wahrheit ertrage. Entweder ganz oder gar nicht. Im Leben oder aus dem Leben, aber kein "ein bisschen Leben". Solche Wechselbäder soll nehmen wer will, ich will es nicht.
Einer der Aerzte meinte dann: "Sie wissen aber genau, was sie wollen". Ja, das weiss ich - mittlerweilen. Wenn auch noch längst nicht alles, so doch vieles. Und jeden Tag ein bisschen mehr.
Seither treffe ich diese Aerzte und Therapeuten bei mir in Thun im Café, oder wenn sie wollen, bei mir zu Hause, auf einen Kaffee.
Da lässt es sich besser reden, offener, habe ich bemerkt. Das Gespräch geht dann von Mensch zu Mensch und wird nicht in der verbal-samtbezogenen Komfortzone geführt. Fakten. Tatsachen. Ehrlichkeiten.
Das hilft zumindest mir persönlich wesentlich mehr als Weichspülargumentationen und Hoffnungsgedanken, welche in der Realität leider nicht greifen. Schöndenkerei in allen Ehren, aber wir leben im HIER und JETZT und HEUTE. Und jeder Tag muss im Voraus gelebt und kann erst im Rückblick genauer bewertet, verstanden und erklärt werden.
Dies gilt es zu tun, jeden einzelnen Tag. Und die Verantwortung liegt bei einem selbst.

Die Therapie in der Klinik für den Kater geht nun dem Ende entgegen.
Was dort getan werden konnte, hat man getan. Mein Mann hat wiederum viele Erkenntnisse sammeln dürfen, hat neu gelernt, lernt sich kennen. Und ERKENNEN. Zumindest ist nun auch die Belastung des früheren Umfeldes weg.
Manchmal ist es sehr schwer zu erkennen, wo die Quelle des Giftes herkommt. Weiss man es aber, muss man handeln. Ein langer Weg, ein schwerer Weg. Aber am Ende des Weges steht Heilung.

Vorgeschaltet dem Austritt geht das nun also das sogenannte "Belastungswochenende" voraus. Ironisch hab ich gefragt, WER denn nun belastet werden soll ... er? Ich? Meine Kinder? Und - in welcher Hinsicht soll ich belasten? Er belastet werden?
Ich hätte dazu einiges an  Bedürfnissen - ohne jetzt genauer darauf eingehen zu wollen. Aber das würde der arme Mann so gesehen nicht überleben.
Bin ja von Natur aus temperamentvoll und Vollblutfrau :-), ihr wisst.
Mit dem Aerzteteam werde ich diesbezüglich noch ein paar Takte zu reden haben. Meine 50% Belastung wären nämlich gerne darüber informiert und dazu befragt worden. Und zur Nachsicht würde ich auch gerne in den erlauchten Kreis der Informaten gehören. Damit ein umfassenden Bild hinsichtlich des Austrittes gemacht werden kann. Soviel an Seriosität gehört meines Erachtens dazu.
Ich habe nämlich was zu sagen - und will gehört werden.

Dafür werde ich heute und in der Zukunft einstehen. Ich will mich einsetzen für Angehörige in solchen Situationen. Ich habe diese neue Aufgabe für mich gewählt und habe in den Menschen meiner Selbsthilfegruppe zuverlässige Mitkämpfer und Mitkämpferinnen gefunden.

Wie es weitergeht bei mir? Ach ... so genau weiss ich das noch nicht.
Nächste Woche gehts erst mal Richtung Rhodos in die Sonne, ans Meer. Vielleicht alleine, vielleicht mit dem Kater. Man wird sehen.
Genau so sieht auch meine Zukunft aus, welche ich durchaus kraftvoll und mit Freude angehe. Vieles steht noch in den Sternen - aber dort ist es gut aufgehoben, so viel ist klar.
Sicherlich kommt noch vieles auf mich zu - Arbeit, Gedanken, Entscheidungen, vielleicht auch Tränen.
Die Hoffnung auf ein Happy End hat auch noch was mitzureden. Klar.

Aber entweder wird das Spiel jetzt nach ausgehandelten Regeln gespielt - und das zuverlässig und ohne gezinkte Karten, doppelten Boden - oder gar nicht.

Was immer auch kommt, wie immer es wird, wohin es auch geht ...

... ICH BIN SCHON DA!

15 Kommentare:

die Malerin hat gesagt…

Und ich (wir) sind bei Dir, immer aber das weißt Du ja. Deine offenen Worte und die neue Fränzi gefallen uns sehr, sehr gut und der Weg den Du gehst ist auch gut, denn er ist DEIN WEG, den Du zu gehen hast. Ob zusammen oder alleine, das wird sich zeigen.
Müntis und eine dicke Umarmung an Dich. Mail folgt.
Lydia ♥♥♥

Sternenzaubers Geschichtenhimmel hat gesagt…

Meine liebe grosse Schwester

Ihr seid und wart und werdet mir / uns das sein, was Menschen am dringendsten brauchen: Beste Freunde.
Dafür reicht ein DANKE nicht aus. Aber es zumindest ein Zeichen.

Ich habe euch ganz doll lieb, umarme und müntschele euch. Von Herzen

Fränzi und sicher auch der Kater

die Malerin hat gesagt…

Du bist die Grosse, ich bin die Kleine ;-))).

Müntschis Lydia ♥♥♥

Schäfchen hat gesagt…

Puh. Das geht ganz schön unter die Haut. Macht sprachlos. Ich zieh den Hut vor deiner Kraft und vor allem vor deiner Fähigkeit, für DICH selbst da zu sein. Das ist so überlebenswichtig! Und am allerliebsten würde ich dich jetzt einfach so... völlig unbekannterdings... aber von ganzem Herzen ganz feste knuddeln!

Ganz liebe Grüße vom gerade sehr ergriffenen Schäfchen

Sternenzaubers Geschichtenhimmel hat gesagt…

Liebes Schäfchen

Der Knuddel ist angekommen - und wie. Danke für Deine Worte. So ein Post wie der von heute ist nicht ganz einfach. Hinstehen, eingestehen, hinsehen. Stehenbleiben und aushalten.
Und dann gehts weiter, einen Schritt um den anderen. Vieles hab ich in mir, vieles wurde mir geschenkt von Menschen um mich - GANZ VIELES HIER AUS DEM BLOG, z.B. von dir.

Dafür DANKE!
Herzgrüessli mit Lächeln
Fränzi Sternenzauber

Heidegeist hat gesagt…

Ach, liebe Fränzi....Du bist STARK. Egal was kommt, du schaffst das. GGLG von Inge

ALEXANDRA SCHMID hat gesagt…

Liebe Franziska,
ich lese still und leise hier mit und staune immer wieder. Du hast so viel Kraft, so viel Tiefe, so viel Herz. Ich bewundere Dich dafür, wie Du Deinen Weg gehst, einen Schritt nach dem anderen, stets mit Blick nach innen UND nach aussen. Aus den Steinen, die sich Dir in den Weg legen, baust Du Treppen, aus den Bergen, die sich vor Dir türmen, formst Du neue Gebilde. Ich ziehe meinen Hut vor Dir, liebe Sternenzauberin, ganz tief. Meine Gedanken sind bei Dir, um Dich, oft, ganz oft. Ich wünsche Dir weiterhin viel Kraft auf Deinem Weg und schicke einen Schutzengel mit einer warmen Umarmung zu Dir.
"Heb Dir fescht Sorg, Du Liebi!"
Alexandra

Dies und Das vom Neckarstrand hat gesagt…

Liebe Fränzi,
Du hast einen langen, steinigen Weg vor Dir.
Du bist stark - aber übernimm dich trotzdem nicht. Ich bin in Gedanken bei dir.
Liebe Grüße
Irmi

Elisabeth J.-S. hat gesagt…

Ich drück Dich ...
Elisabeth

kralle hat gesagt…

Ich drücke dir, drücke "euch" die Daumen. Du bist stark. Das fühlt man"n". Mache also diese Stärke dir zu nutze, ohne dich zu verlieren. Ich kenne diese "Scheisssituation" von deinem "Mann", kann in der Hinsicht aber auch dich verstehen und entsprechend Nachvollziehen. Ich hoffe für dich, für euch.


LG rolf

Postpanamamaxi hat gesagt…

Liebe Fränzi,
es ist wichtig und richtig, dass Du auch an Deinen Selbstschutz denkst. Denn nur, weil Du offenbar eine sehr starke und intelligente Frau bist, heißt es nicht, dass Du deswegen unzerbrechlich und unendlich flexibel und belastbar sein musst.

Du hast es erkannt und das ist gut so. Und wie soll Kater denn lernen, für seine Bedürfnisse endlich einzustehen im Alltag, wenn es zwangsläufig bedeuten sollte, dass Du mit jedem Schritt, den er aus der Misere rausmacht, in Deine eigene reintappst?

Der goldene Weg liegt irgendwo in der Mitte, damit Ihr beide darauf weitergehen könnt.
Wohin auch immer.

Viel Glück
Deine Postpanamamaxi

alice hat gesagt…

ich hab das alles einige male durchgelesen. Den Atem angehalten.....es ist schwere Kost!
Einiges kannte ich, einiges ist mir neu.
Und im Moment bin ich wie blockiert, also schreib ich dir einfach nur:
Ich denke an euch, und hoffe, dass eure Wünsche, sofern sie realisierbar sind, in Erfüllung gehen. Viel Kraft!
Alles Liebe und Gute, Alice

malesawi hat gesagt…

Liebe Franzi, Respekt und Bewunderung für deine Kraft und deine Haltung! Und für deine offenen Worte hier.
Ich schicke dir ganz viele gute Gedanken!
Liebe Grüße

Uschy hat gesagt…

Bravo Fränzi! Zuerst kommst du! Denn wenn es dir schlecht geht, kannst du niemandem helfen! Du weisst, dass ich dir in dieser Hinsicht ebenfalls beistehen kann!
Doch vorerst geniesse Deine Ferien! Ich wünsche Dir viiiel Sonnenschein.
Härzlechs Müntschi Uschy

Frierefritz hat gesagt…

Dein Puzzle fügt sich immer weiter zusammen, scheint es. Aber Hochachtung, diese Gedanken hier so öffentlich niederzuschreiben, den Mut hätte ich nicht. Wir sind auch beide seit einer Weile erkrankt und überlegen, wie es auf Dauer weitergehen kann. Aber es wird weitergehen, mit Glas in der Hand, halbvoll. Mindestens ;o)
Fühl dich unbekannterweise einmal feste gedrückt,
LG Ute

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