Samstag, 15. Mai 2010

KAFFEE ODER TEE - HERR H.R. GIGER?

Lieber Herr Giger

Ich war um die 20zig, als ich ihren Namen das erste Mal bewusst vernahm.
Ein Kollege lud mich in den Film ALIEN ein - im Wissen, dass mein Innenleben damit gar nicht klar kommt. So gruselte ich mich auch durch die Filmminuten, die Hände vor den Kopf geschlagen und ab und zu durch die Finger schielend. Das Biest habe ich gesehen, ganz kurz, sehr heftig. Sein Anblick ist mir bis heute geblieben. Und immer habe ich mich gefragt, wer sowas ins Leben rufen kann.


SIE können das, Herr Giger. Das und noch viel mehr. Eigentlich völlig entgegen meinem Empfinden, entgegen dem, was ich ertragen kann.
Trotzdem: sie faszinieren mich, auf eine ganz besondere Weise.

Einmal, da habe ich Sie auf dem Flughafen Kloten gesehen - ich ging nah an Ihnen vorbei und hab in diese besonderen Augen gesehen ... diese Augen, die so ganz anders sind als andere Augen. Ich habe mich in diesem Augenblick erschrocken - und wie! Den Ausdruck Ihres Blickes hatte ich zu diesem Zeitpunkt schon einmal gesehen. Damals, als meine Katze im Sterben lag, ganz nah vor der Grenze nach drüben.
Ging mir sehr unter die Haut.


Ich habe ein Buch von Ihnen, schaue mir die Bilder an, lese darin, sehe immer wieder Neues. Und krieg Gänsehaut. Je mehr ich Sie erfahre, umso weniger wage ich zu erahnen, von was Sie träumen - wenn Sie denn träumen.
Träumen Sie, Herr Giger?

Manchmal probiere ich mich auf Ihre Spur zu machen. So letzten Sonntag, als ich ihr Museum in Gruyère besuchte. Auch da wieder, als erstes, mein Blick auf Ihr Bild. Dieses Bild mit diesen Augen, die weit weit weg sind. Im Himmel, in der Hölle?
Wo sind Sie, Herr Giger?

Erst haben wir in Giger-Café was getrunken - inmitten von Wirbelknochen, Babyköpfchen und Knochenstühlen. Sehr speziell.




2 Stunden lang bestaunte ich anschliessend Ihre Werke, die ebenso schön wie abstossend sind, die lauter Fragen aufwerfen, die stumm schreien, die vorwurfsvoll blicken, die extrem berühren. Aber ich weiss nicht wo!? Berühren Sie mein Gewissen, meine Moral oder direkt Gefühle? Es gibt Dinge, die getraue ich nicht zu hinterfragen. Weil ich nicht weiss, ob ich Ihre Antwort ertragen könnte. Und doch - interessiert es mich brennend, was Sie mir dazu sagen würden. Was Sie zu erzählen hätten. So unter uns.

Was ich im roten Raum gesehen habe, hat mich verwirrt. Warum bringe ich im Zusammenhang mit Ihnen die Farbe Rot immer mit Blut in Verbindung? Wollen Sie, dass ich das fühle? Sagen Sie mir doch bitte in Ihren Worten, warum ich Hakenkreuze sehe, Judassterne, Frauen - geliebt und gehasst gleichzeitig. Sie provozieren mich unentwegt - ohne dass ich mich abwenden könnte. Sie machen mich sprachlos, indem Sie Meere von Fragen in mir aufwerfen. Ich fühle Ihren Widerspruch sehr körperlich.
Ich möchte gar nicht über das sprechen, was ich gesehen habe - und das unentwegt. Sie lassen mir die Wahl nicht. Sie fordern mich heraus!

Kann ich nicht einfach an Ihren Werken vorbeischlendern, sie anschauen und gut? Das wollen Sie gar nicht - oder? Sie wollen sich festsetzen in den Menschen - wie dieses Aliengetier, so kommt es mir vor. Sie sind wie ein Virus, der einem in die Knie zwingt, mit dem man sich auseinandersetzen muss. Irgendwie schräg. Manchmal wäre ich gerne immun gegen Sie. Im Wissen, dass mir viel entgehen würde.
Ist es das, warum ich nicht immun werde?

Ich würde mir wünschen, mal mit Ihnen Kaffee oder Tee trinken zu gehen. In einem hellen, freundlichen Café. Gerne möchte ich Sie fragen dürfen, solange ich will. Ich würde Sie bitten, sich mir zu erklären. Möchte Sie bitten, mir zu erzählen. Ob ich Ihnen dazu in die Augen schauen könnte? Ich möchte!
Sie sind anders - und wagen es zu sein. Nebst dem Wollen, könnten Sie überhaupt 0815?

Lieber Herr Giger, ich habe grossen Respekt vor Ihnen.
Und ein bisschen Angst.

MUSS ICH?

2 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Genialer Text!

Ich bin Gigers Kunst gegenüber sehr affin eingestellt. Auch das eine Tatsache, die mich manchmal mehr, manchmal weniger erstaunt.

Meine Schatten finden in seinen Bildern Ausdruck, manchmal gruselig, doch trotzdem so Teil von mir, erstaunlich, manchmal mehr, manchmal weniger...

Hinschauen, wegschauen...immer und immer wieder...

Sternenzaubers Geschichtenhimmel hat gesagt…

Danke, liebe Sabrina!

Und ... ja, genau....

:-)

Liebe Grüessli
Sternenzauber

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