Dienstag, 10. Januar 2012

EINE FRAGE DER (AUS)SICHT

Erst mal möchte ich mich herzlich bedanken für all die anteilnehmenden, liebevollen, herzlichen, ratenden, verständnisvollen Reaktionen auf meinen gestrigen Blogbeitrag.
Es hat sich gut angefühlt, so gut. Macht stark und macht Mut.
Ich geb euch 100 Punkte von 100 Punkten. Ihr seid was ihr immer wart - einfach grossartig!
Danke.

Gestern Abend, es traf sich gut, hatte ich nach 4 Wochen (Festtags-)Pause wieder mal Treffen in der Angehörigen-Selbsthilfegruppe. Wir sind in allem einander tiefherzlich zugewandte Freunde geworden - da hat jeder seinen festen Platz mit Garantie auf offene Ohren, Verständnis und guten Rat. Wir verstehen uns ohne Erklärung, das ist ja das Schöne an Selbsthilfegruppen. Jeder weiss aus eigener Erfahrung, wovon die Rede ist und wie es sich anfühlt.
Aber wer jetzt meint, dass so ein Abend eine ruhige, eher sogar bedrückende, jammernde, verzweifelte Art Klagemauer ist ... weit gefehlt. Was haben wir auch gestern wieder gelacht! Dieses grenzenlose Vertrauen ineinander, diese besondere Offenheit - sie lässt uns sein wie und was wir sind: starke, fröhliche, humorvolle Menschen, die den Weg zueinander und somit auch die Antworten auf ganz viele Fragen gefunden haben und immer weiter suchen werden.
Unsere Gruppe haben wir übrigens auf den Namen WEITERKOMMEN getauft. Und das tun wir auch, jedes Mal.

Zudem hat mich die Natur mit einem sehr funktionalen System ausgerichtet. Wenn mir die eine Sicht auf die Dinge Bauchschmerzen bereitet - dann laufe ich so lange um den Stein des Anstosses rum, bis ich diese eine Sicht auf die Dinge finde, welche "Bearbeitung" zulässt. Welche mich wach und aufmerksam hält, welche mir die Möglichkeit der Aktion schenkt.
Nur immer reagieren, das mag ich nicht. Aktiv sein, am liebsten proaktiv - so laufe ich zur Hochform auf.

Aktiv nenne ich zum Beispiel meine lange Mail an des Kater's Psychiater, in welcher ich aus Sicht meiner Person, die nah, ganz nah dabei ist, die momentane Lage schilderte. Detailliert. Ich würd es mal so nennen: ein ausgewachsener Hilferuf.
Passiv nenn ich den Herrn Psychiater, der sich keinen Deut darum kümmerte. Sich weder bei mir noch bei seinem Patienten meldet, den Hilferuf zwar gelesen hat - aber ignoriert.
Schwach, Doc ...gaaaaanz schwach!
Den Typ nehm ich mir noch zur Brust - versprochen ... ich hab immerhin Körbchengrösse C!! Und mache mich in der Ärztewelt mal wieder unbeliebt. Aber bei ihm hab ich sowieso verspielt, als ich letzthin wagte nach einem Hoffnungsschimmer zu fragen. "Sie brauchen keine Hoffnung" - dies war seine Reaktion.
Ich schätze immer sehr, wenn Menschen wie er wissen, was ich brauche. Das nenn ich Empathie der ausgereiften Art.
Herr Doktor - was genau ist Ihre Aufgabe?

Um den Herrn Doktor werde ich auch kreisen, um den passenden Blickwinkel auf ihn richten zu können. Ich werde ihn grossräumig umrunden. Sehr grosszügig grossräumig.
Und meinen Blick schweifen lassen auf andere Möglichkeiten. Sie finden.

Zum Glück habe ICH Menschen an meiner Seite, die interessiert daran sind, an meiner Seite zu gehen. An unserer Seite. Ja, zugegeben, die sind wesentlich unbequemer - die verschreiben nicht Medikamente bis zum Abwinken. Die fragen, die antworten, die reden, die fordern mich heraus. Mich, mein Wissen, mein Verstehen und meinen Lerneifer.

Womit ich wieder beim gestrigen Post bin und den Abschluss der heutigen Zeilen gerne so machen würde:
Der Kater hat und hatte es in seinem Leben zu oft mit Menschen zu tun, welche ihm beim Sprung in die Tiefe zusahen, noch immer zusehen, bedauernd den Kopf schütteln und mit den Schultern zucken. Dies, während sie sich schon abgewandt haben.

Ich habe Menschen, die trauen mir den Sprung in die Tiefe zu, die geben mir das Rüstzeug zum Flügelbau mit, halten mich an Seilen, brüllen mir laut Durchhalteparolen entgegen, liegen bäuchlings am Rande des Kraters vom Lebenseinschlag und strecken mir alles entgegen, was sie für hilfreich halten.
Das ist ganz schön viel. Und schenkt mir Möglichkeiten.

Der grosse Unterschied: ich lebe und werde erlebt, ich spüre die Stürme, ich trotze den Wogen und dem Wind, ich brülle zurück, ich bin laut - selbst wenn ich leise bin, ich bin unangenehm, ich bin unangepasst. Ich bin ich und traue es mir zu.
Auch wenn ich manchmal müde bin und nicht mehr mag - ich kann darauf wetten, dass es trotzdem weitergeht. Weil mir auf dem Weg nach unten Flügel wachsen. Mit der gleichen Bestimmtheit, wie dass es nach einer dunklen Nacht wieder Tag wird.

Der Kater hingegen - er wird verwaltet. Von Ärzten, Medikamenten, Situationen. Flügel wachsen lassen? Die brach man ihm bereits in der Kindheit. Und zwar so nachhaltig, dass er nie mehr die Kraft hatte, es auf einen zweiten Versuch ankommen zu lassen.
Trotzdem wird er lernen müssen, sich Flügel wachsen zu lassen ... und ihnen zu vertrauen, dass sie tragen. Fliegen lernen. Soweit die Flügel tragen.

Ich nehm ihn täglich mit auf die Reise, zumindest in der Vorstellung. Und erzähle ihm vom beflügelnden Erlebnis, die richtige, passende, heilende Sichtweise auf Blockaden, Barrikaden und vermeintlich unüberwindliche Hürden zu suchen und zu finden.

Das wird klappen. Irgendwann.

HOFFENTLICH BALD!

12 Kommentare:

die Malerin hat gesagt…

Ui, das gefällt mir, das Fränzilein. Das ist meine Fränzi, die Kraft getankt, Mut gefasst hat und aufgrund der Ereignisse zur Höchstform aufläuft. Herr Doktor, ziehen sie sich warm an, denn meinem Fränzi sind Flügel gewachsen und da steht keiner vor ihnen mit gebrochenen Flügel, dem sie irgendeinen Quatsch erzählen können und vertrösten. Da ist jemand der Fragen stellt und auch ehrliche Antworten will, der nicht passiv ist wie sie.
Herzliche Grüße vom kleinen Schwesterchen, der auch immer wieder Flügel wachsen im freien Fall und die mit Fränzi den Kater in die Mitte nimmt wenn wir fliegen, damit er Vertrauen fasst, seine eigenen Flügel wieder zu benutzen.

Sternenzaubers Geschichtenhimmel hat gesagt…

Schwesterlein - so und nicht anders will ich sein. Geht nicht immer und zu jeder Zeit - aber geht IMMER WIEDER.
Danke für Deine Grüesslis und so und so und so. :-)
Du bist so viel besser als jedes Medi!!!

Herzgrüesslis
Fränzi Sternenzauber

Anonym hat gesagt…

Liebs Fränzi, bin i froh, dass du di chasch häbe! Überau wos nume müglech isch!! Ja,Ärzt mäude sich NID vo sich us! bis jetz han i no nie eine kennt, wo sech mäudet, ohni me hets ihm usdrücklech hingerleit!
I hoffe o ganz fescht, dass di Kater e Säubsthilfegruppe het, wo är verstange wird vo jedem einzelne u sech o so toll cha "daheime" füehle, wie dus für di grad so schöne beschribe hesch! Das tät ihm besser aus aui Medikamänt zäme!
Wünschen ech aues z Beschte! u gaaanz viu Chraft u guete Muet! Feschte Drücker Uschy

Exilbayerin hat gesagt…

Über den Satz mit der Hoffnung könnt ich mich jetzt tagelang aufregen. So ein Volldepp!!!

Ich bewundere Euch beide. Ehrlich. Dich weil mir da momentan soviel aus meinem Laptop entgegenspringt, den Kater, weil er ist wie er ist und wenn er nix mehr kann, dann immer noch dir vertrauen kann. Das scheint er zu wissen und das konnte mein 'Kater' manchmal auch schon fast nimmer.
Er muss sich keine Flügel wachsen lassen. Er hat sie schon, denn hätte er sie nicht, könnte er nicht mehr vertrauen.
Auf Vertrauen und Hoffnung - beides ist immer und unendlich vorhanden.
Ganz liebe Grüße

Sternenzaubers Geschichtenhimmel hat gesagt…

Liäbs Uschy

Merci viu mau für Diner liäbe und verschtändnisvolle Wort. Ig findes meh aus befrömdlech, dass dr Arzt trotz Mail und Telefonat nid reagiert. Als wärs ihm schnurzpiepegal! guet ... das Gfüehl ha ig sowiso. Leider.
Us mire Sicht hilft e Sälbschthilfegruppe und gueti Fründe am beschte - dört wos professionelli Hilf bruucht, muess me eifach ganz ganz guet häreluege.
Ig ha da zum Glück miner Kontakte. Settig wo scho si und settig wos no chöi wärde.

Vo Härze - danke
Fränzi

Sternenzaubers Geschichtenhimmel hat gesagt…

Liebe Exilbayerin

Starke Worte - ganz stark! Ich werde sie heute Abend vorlesen.
Er muss fliegen lernen. Und wir trainieren seine Flugmuskeln jetzt sooo lange, bis das wieder geht!!! Jawoll!!

Herzgrüesslis
Fränzi Sternenzauber

Livia hat gesagt…

Ach meine Liebe

Es eilt doch nicht. Schoggi wartet und Schoggi ist seeehr lange haltbar. Nimm dir ein Stück aus dem Schrank (da muss welche drin sein), setz dich kurz hin und geniesse ein wenig. Nur fünf Minuten für dich und du wirst wieder stundenlang ein gutes Gefühl haben.
Ich weiss, dass du eine so starke und liebe Frau bist und auch, dass dies alles unendlich viel Zeit dauern kann. Aber mit jedem Tag, an dem man sich besser fühlt, mitträgt, Freude schenkt oder einfach nur mit jemandem Kaffee trinkt, ohne immer erklären oder reden zu müssen, geht es ein wenig weiter. Und für dieses Weitergehen wünsche ich dir, euch beiden und euch allen, die hier mitlesen, mitunterstützen, mitbetroffen sind, unendlich viel Kraft!

Alles Liebe
Eponine

Dodo hat gesagt…

Liebe Fränzi
da ist er wieder, der Unterschied zwischen problemorientierter und lösungsorientierter Sicht- und Arbeitsweise. Noch Fragen?
Liebe Grüsse
Dodo

Birgitt hat gesagt…

...habe jetzt erstmal alles nachgelesen, liebe Fränzi,
ich bewundere deine Kraft und Stärke, selbst in den leisen Tönen, den schweren Zeiten...und wünsche euch, dass sie für euch beide reicht ohne dich zu verlieren...

alles Gute,
lieber Gruß von Birgitt

Anonym hat gesagt…

hoi fränzi
gsesch, mi gloube a di u katerli het gwürkt.
dass es wieder bärg obsi geit, fröit mi bsunnders.
u no öppis, zeig däm döckti numme dini zäng, gloube chum das körbligrössi c ihn beydruckt!
grande bisous Therry

Sabine Gimm hat gesagt…

Fränzi, ich wünsche dir viiiieeeeellll Kraft♥
LG Sabine

Dodo hat gesagt…
Dieser Kommentar wurde vom Autor entfernt.

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