Die Geschichte welche ich Dir heute zu erzählen habe, sie trägt sich genau so an jedem Abend zu. Sie ist weder erfunden - noch habe ich Dinge dazugedichtet.
Nur so ein paar Kleinigkeiten. Ganz kleine Kleinigkeiten. Ehrlich!
Seit einigen Wochen erlebe ich meine tägliche, ganz persönliche Revolution. Was genau revolutioniert werden soll, ist meiner Aufmerksamkeit bis heute entgangen. Aber er ist da.
Che Guevara. Sein voller Name ist Ernesto Rafael Guevara de la Serna.
"Mein" Che Guevara heisst vielleicht Peter Meier, Daniel Baumgartner oder Fritz Müller ... aber er fühlt sich nicht wie Peter Meier, Daniel Baumgartner oder Fritz Müller. Nein!
Er ist Che. Che ist übrigens nicht einfach nur ein Name - es ist eine argentinische Redewendung und heisst gemäss Wikipedia: "Hör mal!" oder "Pass auf!" Genau so tritt er auch auf.
Jeden Abend gegen 18.00h finde ich mich auf Perron 3 ein, kurz darauf fährt der Zug gen zu Hause. Meist bin ich vor Che am Bahnhof - doch das laute Gepolter seiner Militärstiefel kündet sein Kommen an. Und fast automatisch will mir die Hand zum Grusse an den nicht exixtenen Hutrand schnellen und ich wehre mich vehementestens gegen mein inneres Drängen Habachtstellung einzunehmen.
Er ist immer in diese besonderen 4-Frucht-Military-Hosen gekleidet, trägt dazu meist ein khakifarbenes Hemd und eine grüne Militärjacke mit so ganz aussergewöhnlich eindrucksvollen Schulterpatten drauf - Symbol Faust - in jeder nur erdenklichen Variante.
Das rote, manchmal avokadofarbene Beret schräg in die Denkerstirn gezogen, stösst er lautstark und im Befehlstone seine Anweisungen aus, schaut einem dazu mit beklemmend stechendem Blicke an. Diese Taktik der Einschüchterung geht soweit, dass ich irgendwann mal ganz bestimmt mit "JAWOLL" antworten werde ...!
Dieser Guerillaführer, dieser Mann der kubanischen Revolution ... er schreitet mit hocherhobenem Haupte die Reihen der Aufdenzugwartenden wie bei einem Defilee ab. Truppenübung auf dem Perron. Versammlung der Streitkräfte seines Regimentes.
Ich bin jeweils drauf und dran, den Regenschirm als Waffenersatz akkurat bei Fuss zu stellen!
Bis der Zug dann endlich einfährt, kaut er lässig an seiner Zigarillo, lässt uns Fussvolk aber dabei nicht aus den Augen. Dass Keiner sich auch zu weit weg von ihm bewege - im Falle eines Manövers. Oder so.
Ist der Zug dann endlich da, wird präventiv Raumsicherungsaktion betrieben, was soviel heisst, als dass Che den Platz vor dem Eingang mit seinen weit ausgestreckten Armen frei hält - damit erst mal er und sein grosser Militärrucksack Platz zum Einsteigen haben. Anschliessend wird das Abteil rekognosziert. Nicht dass er sich danach etwa in die Riege der Normalos einordnen würde - nein, er steht an der Türe, inspiziert einen Jeden von uns eindringlich, lässt uns in Reih und Glied durchmarschieren.
Sitzen wir dann mal endlich alle, stolziert er durch die Reihen - wohl um zu schauen, wen es zu rekrutieren lohnt. Krault sich dazu in seinem typischen Barte.
Ich verzieh mich jeweils hinter meine Zeitung und tue durchsichtig. Das ist gar nicht so einfach, wenn man ein so bunter Vogel ist wie ich!
Mir ist unwohl.
Ist dann alles in seiner Armee-Einheit soweit gesichtet, bewegt er sich nach draussen vor die Abteil-Türe, geht in die Knie und bleibt genau so, unbeweglich - den Blick auf die Türe gerichtet - laut spanisch fluchend, in der Hocke. 20 Minuten später steig ich dann aus - muss ergo an Che Guevara vorbei. Er ist immer noch da, hockt wie ein Panther vor dem Sprung in der Nähe des Lokomotivführers Türe und mustert uns Abtrünnige mit abschätzigem Blicke.
Wir, die wir seine Division einfach so verlassen. ... als würden wir seine Ideale und Ideen verraten. Denunzianten, Deserteure!!
Nicht mal raus robben, nein ... einfach aufrecht gehen! Verlogenes Volk....!
Sein Blick exekutiert uns jeden Abend neu.
Was und wer sich wohl hinter diesem Menschen verbirgt?
Ich bin manchmal versucht, das herauszufinden.
Ich muss meinen Schatz mal fragen, in wie weit er - im Falle eines Falles - bereit wäre, einer Lösegeldforderung nachzukommen...
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