Samstag, 12. November 2011

EIN WOCHENENDE VOLLER EMOTIONEN

Ich habe nicht so bombig geschlafen - im Traum habe ich gestrichen. Wände in allen möglichen Farben gestrichen. Und ich hab Möbel geschleppt. Ganze Schränke. Alleine.
Als ich erwachte, hatte ich Muskelkater - mehr so innerlich denn muskulär - ihr versteht. Und es hätte mich üüüberhaupt nicht gewundert, hätten ich im Badezimmerspiegel Farbkleckse auf meinem Gesicht entdeckt. Rote Farbe.
Aber nein - es war bloss der Abdruck vom Kissen.

Und dann lag ich noch ein paar Momente still im grossen Bett - der Kater neben mir war noch selig im Schlummer, er seufzte ab und zu ganz leise. Meine Gedanken spielten Karussell und die letzten 12 Jahre zogen an mir vorbei, wie im Film ...

... wie war das noch, damals - alleine der Einzug hier war schon so spektakulär! In der Nacht auf den Umzugstag hatte mein damaliger Mann einen Bandscheibenvorfall. Nein, nicht was ihr jetzt denkt - einfach so, während des Schlafes. Er ab ins Krankenhaus, sofort OP - und ich mit den 2 damals noch gar nicht so grossen Kindern. Ohne Führerschein. Auf gepackten Koffern und 200 Kisten, auseinandergeschraubten Möbeln. Und nun? Meine Freunde liessen mich nicht im Stich - einer organisierte den Umzugswagen, 4 Familien mit Kind und Kegel halfen schleppen, zusammenbauen und einräumen. Wildfremde Freunde der Freunde halfen mit ... und am Abend war es vollbracht.
Das war ein Erlebnis! Ein Tag!  Und ich krieg noch heute nasse Äugelein, wenn ich daran denke.

4 Jahre später kam ich mit den Kindern alleine aus dem Urlaub zurück - der Mann abhanden gekommen und verloren an einen Urlaubsflirt (heute weiss ich, dass dies kein Verlust war, sondern genau so hat sein müssen). Aber in diesem Augenblick war es ein Schock und völligst unvorbereitet. Wir hatten nie Streit und alles schien so wunderbar harmonisch - die Vorzeigefamilie (heute ist mir klar, dass genau das mein Denkfehler war). Was damals meine Kinder mitgemacht haben ... und wie das war, so ganz alleine hier die Türe aufzuschliessen. Und zu wissen, dass nun alles anders ist - so ganz anders. Jobsuche, später die Scheidung, die Kinder versorgen und für sie da sein - für mich da sein.
Eine schwere Zeit.

Später der neue Mann an meiner Seite, der so gar nicht mit Kindern klar kam. Die ewige Reiserei mit dem Flieger - er konnte nicht, da Panikattacken in Flieger, Bahn und Bus ... Und da es mich nur im Dreierpack gab und auch ich nur beschränkte Zeit zur Verfügung hatte, sagte man sich irgendwann Ade.
Mir verprach ich damals: nieeeee mehr eine Fernbeziehung.
Und dann kam der Kater.
Never say never again ...!

Das Spiel begann von vorne. Allerdings reiste meist er in die Schweiz am Wochenende. Und verstand sich auch prima mit meinen Kindern - die unterdessen stressige Teenager waren, wie sie eben so sind. Später der Heiratsantrag - die Umsiedlungspläne in die Schweiz - die Jobsuche. Huuuuui war das aufregend! Und erfolgreich! Und anstrengend! Aber wir haben es gemeinsam gewuppt. Der Umzug wurde gestemmt, es fand sich ein toller Job, geheiratet wurde in aller Stille auf Rhodos - das Glück schien perfekt und endlich die Ruhe, die Gewissheit "alles ist gut".

Bis sich das Gesicht seiner Krankheit zeigte - und mit ihm alle Begleiterscheinungen. Darunter litt meine Gesundheit. Darunter litt so vieles. Klinikaufenthalte, Therapien, sein Jobverlust. Zukunftängste. Eine Familie in Deutschland, die ich wirklich von Herzen lieb hatte, der ich vertraute - sie konnten mit der Situation nicht umgehen. So traurig.
Wie weiter?

So vieles war und ist immer noch in der Schwebe. Die Zeit wird es zeigen. Was stets mein Fixpunkt war ... die Wohnung hier. Meine Rückzugsmöglichkeit, mein Raum, ein grosser Teil vom Ich. Schutz. Zu Hause eben.
Diese Wohnung hier war die einzige Konstante in all den Jahren.

Und nun beginnt das letzte Wochenende hier.
Ihr Alle kennt meine Freude über den Neuanfang in der Villa Kunterbunt, wunderschön! Und ich bin mir auch sicher, dass es gut tut, diese Wohnung hier zu verlassen - zurücklassen hier all das, was so sehr schmerzte und es immer noch tut. Gemeinsam eine Art Neuanfang. Ihr wisst schon ... ich bin realistisch genug, nicht dass ich damit meine mein Leben bei 0 anzufangen. Ich nehme mich mit - mein Leben, meine Erfahrungen. Er kommt mit. Meine Söhne sind zwar nicht mehr von der Partie, die haben ihr eigenes Leben. Und das ist gut so.
Trotzdem ist es eine Art Beginn auf neutralem Boden - und darin stecke ich viele Hoffnungen. Irgendwie habe ich das Gefühl, dass genau dieses Haus es gut mit uns meint ... wir mit ihm. Jeder Mensch braucht seine kleine Insel. Ich freue mich auf unsere, sehr. So sehr.

Alles was ich ab jetzt hier in dieser Wohnung tue - in ihr, die all das gesehen, miterlebt hat - tue ich hier zum allerletzten Mal. Das berührt mich. Vieles geht mir durch den Kopf ... vielleicht auch, weil in den letzten Wochen so vieles von mir mir durch die Finger und weg ging. Das Leben der letzten Wochen war pures Loslassen. Was ja nicht dem Vergessen gleich kommt.

Mit einer gewissen Dünnhäutigkeit sitze ich gerade hier am Compi und denke "es ist das letzte Mal am Samstag auf dieser Couch zu sitzen und auf den Knien am Compi zu schreiben". Nächsten Samstag gibt es diese Couch nicht mehr - und ich werde von ganz woanders schreiben.
Ich bin dankbar diese Möglichkeit zu haben, es fühlt sich an wie eine grosse Chance.

Und doch hält mein Herz und meine Seele gerade Rückblick. Dankend, dass ich hier zu Hause sein durfte. Zu wissen: es ist gut so, wie es gekommen ist und die Villa Kunterbunt unsere nächste Station wird. Das Leben macht das schon richtig.
Bin voller Emotionen - die letzten 12 Jahre haben sich hier abgespielt und so unendlich viel ist passiert. Und nun ist alles in Kisten eingepackt, wird auseinander genommen und so manches auch weggeschmissen. Ihr werdet mich sicherlich verstehen, wenn ich sage:
Es ist gut so - es tut gut, es tut weh, ich freu mich, es zieht im Herzen, ich könnt jubeln vor Freude, ein Tränchen rollt über meine Wange. Es ist dieser Mix von Leben.
Ja, genau.

ES IST LEBENDIGES LEBEN

9 Kommentare:

die Malerin hat gesagt…

Als ich von der Wohnung in unser Haus gezogen bin. Saß ich am Abend des Umzuges auf der Treppe und war wie ein Schlosshund am heulen. Dieses Chaos, dieses Durcheinander, mein schönes zu Hause hatte ich für diese Baustelle aufgegeben. Und jetzt es ist unser Heim in der Wohnung wurden viele Altlasten zurückgelassen und das war gut so. Ja, und ich bin froh diesen Schritt gegangen zu haben. Möchte nie mehr tauschen. Warte auf Deinen Anruf.

Müntschis Lydia ♥♥♥

Dies und Das vom Neckarstrand hat gesagt…

Ach Franzi, da hast du dir vieles von der Seele geschrieben. Deine Zuversicht wird zurückkommen und du wirst dich in Villa Kunterbunt wohlfühlen. Alter Ballast wird zurückgelassen - aber neuer kommt irgendwann hinzu.
So ist das Leben.
Ein schönes Wochenende wünscht Dir
Irmi

Elisabeth J.-S. hat gesagt…

Ich schick Dir ein ganz dickes Bussi über die Berge .... ich wünsch Dir einen sehr schönen, guten Neuanfang.
Du schaffst das....
pass auf Dich auf. Jetzt, grad in dem Moment wird Inge beerdigt. Ich war auf ihrem Blog, dann da und da und nun bei Dir. Es kann so schnell vorbei sein. Mach es Dir schön, sei bitte Dir selbst am nächsten. (gell, das sagt nun eine, die selber so oft vergisst das zu tun!)
Alles Liebe
Elisabeth

Anonym hat gesagt…

Ach ja wenn diese Woche überstanden ist ; )
Wünsche dir alles Liebe und Gute Berocca hast du ja schon gebunkert....
bbb10001bb

alice hat gesagt…

Es gibt immer wieder Momente, wo man ein bisschen Rückblick hält, und ich denke, das ist auch gut so für die Seele, es reinigt von Altem und schafft Platz für Neues!

Ich wünsche dir alles Gute für die nächsten Tage. Und einen super tollen Anfang im neuen Heim. Ich bin sicher, du wirst dich gut und schnell dort einleben und dich schon bald richtig zu hause fühlen!

Herzlichi Grüessli Alice

Dodo hat gesagt…

Liebe Fränzi
ja, ich weiss, wie das ist....
Ich bin glücklich für euch, dass ihr mein Haus so liebt und glücklich für mein Haus, dass es wieder geliebt wird. Es wartet auf dich, es wird frisch und gereinigt eure Seelen erfreuen, wenigstens, was die Wohnung betrifft. Für meine Seele ist es genau so, wie du es beschreibst - eine Träne, ein Seufzer der Erleichterung, Schmerz und Freude zugleich. Endlich raus dort ... aber nie mehr in meiner massgeschneiderten Küche abwaschen ... mich nie mehr über die Nachbarn ärgern ... raus aus meinen Erinnerungen, den schönen und den beschissenen ... mich nicht mehr drum kümmern müssen ... zusehen, wie ihr das macht ... pfffffffffffffffffffffffffff die Luft ist raus. Noch 5 Tage. Und dann können wir endlich wieder unser eigenes Leben leben, hier, in meinem Zuhause, in meiner Jugend, daheim.

Dodo hat gesagt…

Ups! Nein, keine Angst, die Nachbarn sind nett. Es ist mehr so, dass sie sich über uns geärgert haben. Das hat mich geärgert ;-)Ihr habt ja keinen armen kleinen "Schosshund", den ihr "vernachlässigt", gell?

Birgitt hat gesagt…

...das gehört zum Neuanfang, liebe Fränzi, das Loslassen und das Zurücklassen und das ist nicht nur Erleichterung...aber du bist ein positiver Mensch und wirst alles gut schaffen...dass wünsche ich dir - euch...

lieber Gruß von Birgitt

PS aber irgendwie fängst du ja doch mit einer neuen 0 an, oder habe ich da was verwechselt???

Livia hat gesagt…

Du hättest sehen sollen, wie ich geheult habe als ich in meinem Zimmer im Haus meiner Eltern plötzlich vor dem leeren Bücherregal gestanden bin und realisiert hatte, dass mein Hauptwohnsitz sich auf einen Schlag so ziemlich verändern würde. Und dabei bin ich ja "nur" als Wochenaufenthalterin in Bern und sehe meine Familie alle ein bis zwei Wochen einmal wieder. Ich kann mir vorstellen wie es dann ist, wenn man eine ganze Wohnung mit Leben und allem drum und dran verlässt...

Übrigens, wann wird mal etwas aus dem Schoggifondue? Wenn du Zeit hast melde dich. Ich bin mir sicher, dass du (wir) es gut gebrauchen könntest (könnten) :D

Ganz liebe Grüsse und es Drückerli
Eponine

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