Ich komme eben aus der Stadt nach Hause - hatte noch Einkäufe zu erledigen. Es ist Ende Oktober - und die Läden glänzen schon in schier voller Weihnachtspracht und wie kann es anders sein, als dass mir eine Geschichte durch den Kopf geht, die ich Dir unbedingt erzählen muss.... :-).
(Seit ich meinen Blog habe, passiert mir dies öfter mal - und ich fühle, dass Erinnerungen sehr lebendig sind und bleiben)!
Es ist nun schon einige Jahre her - mein lieber, junger Freund Thomas (süsse 16 war er damals) hatte mich voller Vorfreude eingeladen, das Krippenspiel der katholischen Kirche zu besuchen - er hätte da nämlich eine Hauptrolle: Josef.
Ich muss zugeben, ich bin weder eine regelmässige, noch eine begeisterte Kirchengängerin - aber im vollen Bewusstsein und Glauben, dass es da was ganz Grosses zwischen Himmel und Erde gibt, die Sterne und auch mich behütetend, etwas, das für mich da ist.
Nun ja, ich wollte Thomy nicht enttäuschen und so ging ich an diesem Abend im Dezember los, um Josef alias Thomas die Ehre zu erweisen, das Spiel der Kinder zu beklatschen.
Es lief auch alles prima, die Eltern schauten mit stolzen, glänzenden Augen ihren Sprösslingen zu, die Grosseltern waren entzückt und der Kirchenrat begeistert - ich freute mich ob Thomy, der gab einen sensationellen Josef ab.
Dann aber ist es passiert: Der Einzug der Könige!
Caspar, Melchior und Balthasar kamen gemässigten Schrittes aus der Türe des Kirchensekretariates in den Saal. Ich weiss beim besten Willen nicht mehr genau, welcher dieser 3 Könige denn nun Derjenige war, der mir eine eventuelle Karriere bei der katholischen Kirche mit seinem Auftritt vermasselt hat. Aber ich weiss noch, wie er ausgesehen hat: Er war klein, kugelrund, sein Umhang - ein Relikt aus irgendeiner guten, alten Stube - Damastvorhang mit Zotteln dran - viel zu gross für den kleinen König. Dem Armen liefen die Schweisstropfen nur so übers Gesicht, seine schwere Weihrauch-Laterne schwenkte er mit dem Mute der Verzweiflung vor sich hin ....
Genau an diesem Bilde blieb mein Blick hängen: Klein-König, schwitzend wie ein von Bären gejagter Elch, die Weihrauch-Laterne mit viel zu viel Weihrauch-Harz bestückt ... es qualmte wie nach einem Scheunenbrand! Der arme kleine, schwitzende und leise vor sich hinstöhnende König bekam kaum richtig Luft! Um sich in der Karavane der Geschenkbringenden nicht völlig zum Deppen zu machen, hatte er seinen Mund feste zusammengekniffen und atmete nur seitlich, durch ein Luftloch im Mundwinkel.
Ich habe seine Qual förmlich gespürt - und im gleichen Moment war auch Gross-Alarm in meinem Zwerchfell.
Du kennst sicherlich diese unmögliche Situation - man muss dringend Lachen, darf aber um Gottes Willen - in diesem Fall im wahrsten Sinne des Wortes - nicht. Diese fiesen, gemeinen, unwiderstehlichen und kribbeligen Lachbläschen kitzelten sich durch den ganzen Körper, befielen eine jede Einzelne meiner Zellen, nisteten sich überall ein. Vor allem in den Mundwinkeln.
Und so nahm die Geschichte ihren Lauf. Ich probierte mit Räuspern diesem Drang zu entkommen, ich schluckte und schluckte, biss mir in die Hand, krallte meine Nägel in die Oberschenkel, dachte an die Steuererklärung und an fällige Rechnungen, an die Wurzelbehandlung der letzten Woche - alles für die Katz. Ich begann leise vor mich hin zu kichern - nur gerade die direkt neben mir Sitzenden nahmen davon kopfschüttelnd Kenntnis und gaben mir mit ihren mahnenden und strafenden Blicken zu verstehen, dass sich mein despektierliches Verhalten in keiner Art und Weise geziemt!
Tödlich für mich waren dann aber die Eltern von Thomy.
Thomys Eltern sind liebevolle, gütige und tolle Menschen, die ich auch von Herzen lieb habe - aber an diesem Abend waren sie mir nur das Eine:
Mein Verhängnis!
Gerade meinte ich, wenn ich die Augen ganz doll zukneife und NICHT der Königskaravane zuschaue, der erstickten Stimme von Klein-König NICHT zuhöre "...wir bringen Dir Gold, Myrrhe und (viiiiiiel) Weihrauch ......" - sondern einfach jetzt so tue, als wäre ich gar nicht da - dass ich dann das Unabwendbare noch abwenden könne.
Es hätte auch bestimmt geklappt - hätte sich nicht Thomy´s Mama umgedreht, den Zeigefinger senkrecht auf die Lippen gedrückt und dazu "PSSSSSST" gezischt - während der Papa von Thomy meinen lachtränennassen Blicken folgte, den rauchenden König auch wahrnahm, grosse Augen machte, sich umdrehte ... und dann sah ich von hinten nur noch seine zuckenden Schultern.
Da war Ende Feuer mit Sternenzauber´s Beherrschung, mir brachen alle Dämme und ich übertönte sämtliche Halleluja´s mitsamt der Erzengel Trompetenfanfaren.
Das Weihnachtslied verpuffte ohne Wirkung - während mein haltloses, unstillbares, lautes Gelächter den ganzen Saal füllte.
Mir blieb nur noch: DIE FLUCHT. Ich zwängte mich, Bauch haltend und Entschuldigungen stammelnd ... so gut das eben bei einem Lachanfall der Güteklasse SPEZIAL möglich ist ... durch die Reihen, torkelte mehr schlecht als recht quietschend, vornüber gebeugt und nach Luft hechelnd dem Ausgang entgegen. Den Blickeangriffen war ich schonungslos ausgeliefert und muss in diesem besagten Momente da auch eines mindestens 400 augenpaarfachen Todes gestorben sein.
Ich machte dann einen kleinen, beruhigenden Spaziergang rund um die Kirche, mitten im Schneegestöber, brauchte einige Zeit, um mich wieder zu fassen. Denn kaum schmuggelte sich ein kleiner Gedanke an das eben Erlebte in meinen Kopf - ging es schon wieder von vorne los mit der Lacherei.
Nach einer guten Stunde öffneten sich dann die Kirchentüren, die Menschen kamen plaudernd raus und alles schien ein gutes Ende genommen zu haben. Ich mischte mich unter die Leute - den Jackenkragen hochgeschlagen, die Mütze tief ins Gesicht gezogen und das Halstuch bis zur Nase umgebunden.
Schliesslich konnte ich jetzt nicht einfach verduften ... wie Weihrauch - auch wenn das mein Wunsch war, musste mich doch zumindest bei Thomas noch abmelden.
Thomy kam dann auch zielgerichtet mir entgegen - im Schlepptau den Pfarrer!! HILFE! Selten habe ich mir ein grosses, schwarzes Loch so sehr gewünscht wie da - einfach nur reinspringen und nicht gesehen werden ... aber es war zu spät.
Der Pfarrer kam schnurstracks auf mich zu, sah mir fest in die Augen, streckte mir die Hand hin und sagte: "Ich heisse Hans - und der liebe Gott hat besonders an Dir heute Abend seine Freude gehabt".
Ich schaue mir seither jedes Jahr das Krippenspiel an. Und trinke danach einen Glühwein mit Hans. Wir lachen viel zusammen.
Bald ist es wieder soweit - ich freue mich!
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