Meiner Mutter gebe ich hier im Sternenzauber-Blog keinen fiktiven Namen. Ich nenne sie einfach Mutter - oder Mam. Wenn sie dann mal weiss, dass ich über sie schreibe - und zu gegebener Zeit werde ich ihr dies selbstverständlich auch erzählen - sie wird erst mal lächeln und nicht viel dazu sagen.
Am selben Abend aber noch wird sie mich anrufen und fragen, ob ich nicht ihre Telefonnummer veröffentlichen würde und sie hätte auch schon ein gut gelungenes Bild rausgesucht ... für alle Fälle.
Sie ist speziell.
Wenn man sie so sieht ... ein zierliches Persönchen - Typ Reh, um die 70zig - rüstig, vital und mitten im Leben stehend. Nicht immer war das so, gerade gesundheitlich wurde sie schon arg gebeutelt - Tuberkulose, Rückenoperationen, Herzoperationen und mehr, wir haben uns oft grosse Sorgen um sie machen müssen. So zart und zerbrechlich wie sie war ... wie sie ist - und trotzdem: mindestens so stark und robust halt eben auch. Gut so!
Sie wird immer lebensfreudiger und mutiger - und aufmüpfiger. Mehr davon später...
Vor 1 Monat ist sie mit ihrem Freund (89) zusammengezogen - "nur platonisch, weisst Du". Und lächelt dazu.
Ich glaube - nein, ich bin mir sicher - sie war es, die mir Schalk, Augenzwinkern und Humor in die Wiege gelegt hat. Je älter sie wird, umso mehr kommen diese Eigenschaften in ihr zum Tragen. Sie ist unmöglich! Aber man kann ihr nicht böse sein - im Gegenteil - gerade das macht sie so sympathisch. Dieses verrückte Weib....!
Wer hier schon öfter mitgelesen hat und mich kennt, der weiss, dass ich lange Jahre eine Fernbeziehung Deutschland - Schweiz führte. Natürlich blieb da nicht aus, dass meine Mutter eingeladen wurde, das schöne Ruhrgebiet auch mal zu besuchen. Und damit begann die Story:
"Mutter, Du wartest um 06.30h auf Perron 2 beim Aufzug. Mein Zug kommt um 06.15h an, ich eile dann gleich zu Dir und wir fahren zusammen nach Zürich-Kloten". All das hab ich ihr natürlich genauestens aufgeschrieben. Nun gut. Bis zu diesem Morgen hat sie mich dann fast jeden Tag ganz nervös 3x bis 4x angerufen, um sich nach den genauen Details des wie, wo, wann zu erkundigen ("Kind, ich bis so aufgeregt!").
Der besagte Tag war nun gekommen, wir hatten uns per SMS auch schon mindestens 5 mal gegenseitig nochmals die Zeiten versichert - alles lief gut. Bis auf dass mein Zug nach Bern eine kleine technische Panne hatte und ich entsprechend spät da ankam. Wie vom leibhaftigen Teufel gehetzt raste ich quer durch die Bahnhofshalle gen Perron 2, der Zug nach Zürich-Kloten hatte meinen Zug abgewartet. Das hiess aber auch: sofort einsteigen. Ich rannte in Richtung Aufzug, sah sie stehen. Den hüpfenden Koffer in meiner Linken hinter mir nachziehend - mit der Rechten winkte ich wie verrückt und gab Zeichen, sie soll einsteigen.
S O F O R T. Ich schrie aus Leibeskräfte: "Maaaaaaaaaaam - steig in den Zuuuuuuuug!!!". Gab entsprechende Zeichen, gestikulierte wie wild.
Endlich bemerke sie mich - winkte freudig und aufgeregt zurück - machte aber keinerlei Anstalten in den Zug zu steigen. MAM!
Sie hört ein bisschen schlecht und meinte zudem einfach, dass ich mich so riesig auf sie freuen würde. Mir blieb nur noch übrig, mit meinem Koffer die Zugtüre zu blockieren, was ich dann auch tat - in tatsächlich letzter Sekunde zog ich sie in einem Ruck mitsamt ihrer Reisetasche in den Zug, welcher dann auch gleich losdüste. Uff. Während ich japste und nach Luft rang wie ein verendender Koi-Karpfen, freute sie sich wie eine Schneekönigin, dass alles so gut klappt.
Was der Schaffner zu mir gesagt hat, möchte ich hier nicht 1:1 wiederholen. Sagen wir es mal so: er konnte unsere Freude und Erleichterung nicht teilen.
Na gut. Nach 10 Minuten war auch ich wieder ansprechbar und wir lachten gemeinsam über das eben Erlebte.
Endlich an Flughafen Kloten angekommen, ging es mit Mutter durch die Personenkontrolle - hat prima geklappt. Sie hat dem Pass-Kontroll-Menschen weder unanständige Witze erzählt, noch mit ihm geflirtet. Natürlich haben wir beiden Hübschen uns standepede zum DUTY-FREE aufgemacht ... ich habe meine Affinität zu Parfums und dergleichen nicht gestohlen! Allerdings muss ich ihr noch klar machen, dass man nicht 10 Parfums gleichzeitig an sich ausprobieren sollte ...
Nun denn, nach getanem Besuch in meinem Lieblings-Laden haben wir uns dann zu Gate E aufgemacht. Ich musste sie regelrecht hinter mir nachziehen - es gab doch so viel Schönes zu bewundern ...
Ob ich auch mal so werde?
Dann endlich, wir waren bei der Gepäckkontrolle angelangt. Dieses Thema hatten wir in diesem Blog schon mal ("Ich, Air Berlin und die Liebe"). Mehrfach hatte ich sie darauf hingewiesen, welche, wie und wieviel Flüssigkeiten man mitnehmen darf. Dummerweise hatte ich sie nicht informiert, dass man keine Scheren mit 30cm langer Klinge mit in den Flieger nehmen darf.... Doch lies selber:
Ich war schon durch die Schleuse - und nur mein Bügel-BH gab Laut. Was jeweils schnell zu eruieren ist - und gut. Meine Mutter kam gleich hinter mir: "TUUUUUUUUUUUUUUUUUUUUUUUUUUUUUUUUUUT". Sie blieb ganz gelassen und erklärte der Dame: "Ach, das sind sicher bloss meine künstlichen Herzklappen". Von wegen! Ihre Reisetasche war eben durchs Röntgengerät durchgeschleust worden, als der Mann am Bildschirm förmlich hochschnellte und meine Mutter mit bösem Blick zu sich hin beorderte: "Und was soll DAS?" Ich wagte einen scheuen Blick auf den Bildschirm und was ich sah, lies mich eine Spur bleicher werden .... eine Riesenschere! Super Mam, gut gemacht. Sie machte natürlich das Gleiche wie es mir in solchen Momenten immer passiert - sie begann haltlos zu lachen. Und dann kam noch der verhängnisvolle Spruch des Tages: "Ich attackiere Menschen nur, wenn ich meine Medikamente nicht genommen habe" - habe ich schon gesagt, dass meine Mami gelegentlich einen sehr seltsamen Humor hat? So richtig schwarz, aber wirklich pechschwarz!
Während der Beamte 2 Polizisten heranwinkte, probierte ich zu vermitteln: "Das ist meine Mutter - die ist 70zig und das harmloseste Menschenkind auf Gottes schöner Erde - bloss hat sie zuweilen einen skurrilen Humor". Der eine Polizist entgegnete mir mit strengem Blicke: "Gerade die so harmlos und auf Oma getrimmt Aussehenden, sind oft die Schlimmsten" - und der meinte das echt so.
Während sie meine Mam nun abführten - ein Polizist zu beiden Seiten, hatte mich die Situationskomik dann auch überrollt und ich lachte mich schlapp. So typisch! Wieder mal Mutter und ihr Humor. Kein Fettnäpfchen zu klein für sie. Und für mich.
Nach ca. 20 Minuten hatte ich sie dann da rausgepaukt - sie hat schweren Herzens ihre Schere abgegeben ("...die hatte ich aber sicher 20 Jahre lang, meine beste Schere..."), hat sich für den Fauxpas entschuldigt und wir erreichten noch grade so eben pünktlich den Flieger nach Düsseldorf.
3 Tage lang haben wir über diese Episode gelacht, sie erzählt - und standen dann am Sonntag Abend wieder bei der Gepäckkontrolle - diesmal in Düsseldorf am Flughafen. Und wieder piepst meine Mutter - und es waren die Herzklappen. Aber - und das bereitete mir wesentlich mehr Sorgen - der Beamte am Band bei der Gepäckröntgenstation hatte schon wieder diesem Blick ... sah meine Mutter an und winkte dem Polizisten. NEIN!
Man nahm uns zur Seite und sie wiesen meine Mutter an, die Tasche auszupacken. Sie leistete der Aufforderung auch ohne Widerrede Folge - ich hab sie auch dementsprechend mahnend angeschaut. Und was packt meine Mutter da aus....? 500gr. Leberwurst am Stück. "Was bitte ist das?", wurden wir gefragt. "Leberwurst" - sagte meinen Mam "ganz herrliche, sie ist von der Metzgerei Müller und von Hand gemacht - wollen sie mal probieren?".
Ich kann hier nicht die ganze Geschichte erzählen - nur so viel: Die Leberwurst hätte auch Plasticsprengstoff sein können, wurde uns erklärt - worauf meiner Mam natürlich nix besseres als der Spruch einfiel: "Ja, die knallt ganz schön". Und wieder lernten wir eine Polizeistation von Innen kennen.
Demnächst will sie wieder mal mitfliegen - und die Eltern von meinem Schatz besuchen.
Ok - aber nur unter strengsten Auflagen meinerseits. Soviel ist sicher!
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