Donnerstag, 29. Oktober 2009

FEUERWEHR 118

Gestern habe ich ja über eines meiner Erlebnisse mit Sohn Moritz geschrieben. Seine Reaktion war im übrigen herrlich - er hatte die Geschichte nämlich mehr oder weniger vergessen, beim Lesen aber war plötzlich alles wieder präsent.
Dies ist etwas vom Wunderbarsten am Schreiben für mich - man ist plötzlich wieder in der Situation drin und muss ... darf ... kann ... nochmals erleben, selbst Details werden wieder lebendig. Ich liebe es ....!

Kaum hatte ich gestern die Story mit Moritz "im Kasten", hüpfte mir eine Mäxchen-Erinnerung in meinen Kopf - welche ich Dir nun unbedingt erzählen muss. Oh ja, Schreiben ist wie die Eröffnung eines Billardspieles, man kickt eine Kugel ... und setzt damit viele andere Kugeln in Gang, berührt, bewegt.

Mäxchen war gerade mal 8 Monate alt, süsse 8 Monate. Da krabbeln andere Babys munter herum, reissen Tischdecken mitsamt Geschirr runter und sabbern den Boden voll. Nicht so Max. Max stand bereits in diesem zarten Alter auf eigenen Füsschen und trippelte munter durch die Gegend. Aus dem Laufgitter ist er kurzentschlossen ausgebrochen und selbst die hohen Gitterstäbe im Kinderbettchen stellten keine wirkliche Challange für ihn dar.
Es war ein heisser Sommertag, Mäxchen spielte grad so schön in seinem Zimmer mit den Bauklötzchen. Ich musste dringend in die Waschküche - schaute kurz mal in sein Zimmer und sagte: "Kleiner Schatz, Mama geht kurz Wäsche hochholen, bin in einer Minute wieder da". Er hörte mich nicht mal, so versunken war er ins Türmchen bauen.

So flitzte ich denn mit dem Aufzug runter, schnappte mir den Wäschekorb - schwupps war ich wieder oben. Doch ... ich stand vor verschlossener Türe. ??!!?? War mein Mann schon da? Aber warum schliesst er denn ab? Erst klopfte ich an die Türe, dann hämmerte ich an die Türe, dann läutete ich sturm. Und dann hatte ich Panik!! Drinnen hörte ich unterdessen Max irgendwas brabbelln und an der Türe rummachen. Er fing an zu weinen, zu schreien, zu brüllen. HIMMELHERRGOTTNOCHMALS - WAS NUN?
In Ermangelung eines Handys (vor 20 Jahren gab es sowas nur in einer Art Kofferform und war Spitzenmanagern vorbehalten - wenn überhaupt!) rannte ich zur Nachbarin und rief den Schlüsseldienst an. Der war aber auf die Schnelle nicht verfügbar - und es musste nun schnell gehen, denn Klein-Max stand nun mittlerweilen auf dem Balkon und schrie das ganze Quartier zusammen. Im Innenhof versammelten sich schon die ersten GafferInnen und zeigten mit dem Finge hoch zum dritten Stock, machten erschrockene Gesichter.

Ok - da gab es nur noch eines: Die Feuerwehr muss her! Und über den Balkon einsteigen, das Kind retten - und die Mutter! Ich lief völlig neben der Spur - und wählte dummerweise die Nr 117 ... Polizei.
"Hier Polizeiposten Dürrenast, wie können wir Ihnen helfen?"
"Hier Franziska Sternenzauber - mein 8-monatiger Bub sitzt alleine in der Wohnung, brüllt sich die Seele aus dem Leib und ich komm nicht mehr in die Wohnung. Ist abgeschlossen. Bitte kommen Sie SOOOFFFOOORRRTTT!".
"Ganz ruhig, Frau Sternenzauber ... ihr Bub ist 8 Monate alt, sagen Sie ... uuuund hat Sie aus der Wohnung ausgeschlossen. Uuuund .... ähhhm ... nehmen Sie irgendwelche Medikamente...?"
Mittlerweilen war mir nur noch zum Weinen zu Mute - Mäxchen brüllte, ich heulte und meine Stimme muss wohl ein wenig schrill getönt haben. Auf jeden Fall entschloss sich der etwas irritierte Polizeibeamte, mir erst mal einen Streifenwagen mit "2 netten Kollegen vorbeizuschicken - die werden sich dann um Sie kümmern, Frau Sternenzauber. Bleiben Sie ruhig, die Beamten sind gleich bei Ihnen".
Während ich nun also ums Haus spurtete und Mäxchen in luftiger Höhe vom Boden aus zu beruhige versuchte, rätselten die netten Nachbarn um mich herum, was für eine Rabenmutter dies doch sein müsse, welche ihr Kind so mutterseelenalleine lässt.
Endlich kamen die 2 Beamten, ich rannte ihnen entgegen und wollte sie gleich zur Haustüre zerren ... doch die gesellten sich erst mal an meine Seite - einer zur Linken, einer zur Rechten. Und sprachen mit salbungsvoller, beruhigender Stimme auf mich ein "liebe, gute Frau, sie müssen sich nun keine Sorgen mehr machen, alles wird gut". Alleine dieser Tonfall hat mich aufhorchen lassen. Oha! "Und nun zeigen sie uns mal Ihren 8monatigen Buben, der Ihnen den Zutritt zur Wohnung verwehrt".

Nun war alles klar - die hielten mich glattweg für bekloppt. Ich wette, dass diese 2 freundlichen Herren auf dem Rücksitz des Polizeiautos für mich eine dieser speziellen, sehr langärmligen, weissen Jacken parat hielten. Und Beruhigungspillen - falls ich renitent werden sollte.

Ich zeigte den Herren die verschlossene Wohnungtüre, dann den brüllen Max auf dem Balkon - die Beiden schauten sich an, brachen in schallendes Gelächter aus und redeten ab da auch wieder ganz normal mit mir. Anschliessend wurde sofort die Feuerwehr gerufen, welche in einer spektakulären Aktion mit dem ganz grossen Feuerwehrauto anrückte und via der ganz langen Leiter auf den Balkon gelangte.

Max hatte sich im übrigen unterdessen beruhigt gehabt - die Aktion mit dem roten DÜÜÜDAAA-Auto fand er so extrem spannend, dass er sich oben auf den Balkon hockte und seiner Rettung zusah. Es war ein Bild für die Götter, wie er da so sass, mit seinem total verweinten Gesichtchen, dem roten Schnuller im Mund.

Die Geschichte ist nun schnell zu Ende erzählt: Mäxchen hatte wohl gehört, als die Türe ins Schloss fiel. Und wollte bestimmt schauen, wo ich bin. Also hat er seinen grossen Laster bis vor die Türe geschleppt, ist draufgeklettert, hat so lange am Anhänger der Schlüssels geruckelt und gezupft, bis der Schlüssel umsprang. Kleiner Max mit grosser Wirkung.

Gelernt habe ich: Kinder nie aus den Augen zu lassen.
Und dass die Notfallnummer der Feuerwehr die 118 ist!

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