Samstag, 16. Januar 2010

ICH WÄR SO GERN BERÜHMT GEWORDEN!

Gerade eben habe ich gebannt vor dem Fernseher gesessen und mir die Lauberhornabfahrt gegönnt. Schön, immer wieder schön. Und förmlich dazu gemacht, so viele Erinnerungen in mir zu wecken.

Ich war schon als ganz kleine Göre verrückt nach Skifahren. Meine Winterferien verbrachte ich regelmässig in Gstaad oder Wengen. Die Sonntage waren reserviert für die Berge und die Mittwochnachmittage für den Skikursus in Schwanden.
Immer wenn Skirennen am Fernseher gezeigt wurden, fuhren insbesondere meine Phantasien stets Bestzeiten. Ich blendete in der Übertragung jeweils den Namen der jeweiligen Siegerin aus und hörte anstelle dessen meinen Namen wenn es um Platz 1 ging. Ich war 6jährig, in meiner Vorstellung umschwärmte Podestfahrerin und übte fleissig in der kindlich-krakeligen Schrift meinen Namenszug - falls jemand ein Autogramm verlangen sollte. Stellte mir vor, dass Fans vor meinem Kindergarten auf mich warten und das Schweizer Fähnchen schwenkend laut  S T E R N E N Z A U B ER   skandieren. Ja, so sahen meine Träume damals aus.
Und sollte das nicht klappen, konnte ich ja immer noch Clown, Seiltänzerin oder Serviertochter werden. Dachte ich bei mir.

Ich war noch keine 8 Jahre alt, als ich auf alle möglichen Interview-Fragen sämtliche Antworten parat hatte. In den Zeitungen sah ich vor meinem inneren Auge die aktuellen Schlagzeilen von meinen Traumlauf und mich auf dem Podest den Pokal in die Höhe stemmend.

Nun ja, je älter ich wurde, desto klarer wurde, dass ich für die Realisation meiner Träume aktiv werden sollte. Autogramme schreiben und Interviews geben hatte ich ja geübt, jetzt ging es also nur noch ums schnell den Berg runter brettern.
Im Alter von 9 besuchte ich also den allwöchentlichen Jugend + Sport-Kurs. Da wurden wir dann in Gruppen eingeteilt. Die Besten kamen in Gruppe 1, Anfänger in Gruppe 6. Ich war in Gruppe 3. Der Skilehrer erkannte einfach weder mein Können, noch mein Potential, ich war kreuzunglücklich. Dass ich dann bei der ersten Fahrt nach oben auf dem Schlepplift mittig der Strecke quer über die Seile purzelte, mich irgendwie blöd verhedderte, den ganzen Skibetrieb zum Stillstand brachte und aus eigenen Kraft mich weder befreien noch aufstehen konnte, machte meine Ausgangslage nicht besser. Im Gegenteil - man reichte mich an Gruppe 4 weiter. Welche Schande! So hatte ich mir meinen Karrierebeginn nicht vorgestellt!

2 Jahre später war die Zeit dann gekommen, dass ich ins Skilager nach Wengen durfte. Unsere Schule hatte da ein Haus, weit weit hinten. Man musste erst quer durch Wengen latschen, dann durch ein Waldstück und irgendwo ging dann ein ausgelutschter Trampelpfad runter zum Haus, welches in eine Senke gebaut war. Meine schweren Skischuhe, der Rucksack auf dem Rücken, die Skier und Stöcke über den Schultern machten den Gang da runter nicht einfacher. Und irgendwann rutschte ich denn auch aus, purzelte unbeholfen den Hang runter und landete unter dem schallenden Gelächter meiner völlig untalentierten und einem kommenden Star gegenüber völlig ignoranten MitbewerberInnen auf dem Vorplatz. Kein wirklich guter Start.

Der erste Tag sah dann so aus, dass wir (ich war mittlerweilen in den Jahren zu Gruppe 2 aufgeschlossen) den unteren Teil des Eigers unser Ziel nannten. Das hiess, in Grindelwald den kleinen Zug zu besteigen. Während die Anderen dies auch zügig taten, hatte ich alle Hände voll damit zu tun, Stöcke, Skier, Rucksack und meine Wenigkeit von A nach B zu bewegen. Ich hängte immer irgendwo ein, touchierte andere Skifahrer oder rutschte auf dem nassen Holz bei der Bahnstation aus. Irgendwie war das alles so sperrig und schwer und überhaupt.
Im Fernseher sah das jeweils ganz anders aus. So viel einfacher. Da hat man Serviceleute, welche einem all das Zeug hinterher schleppen...! Und mich, die grosse Schweizer Hoffnung welche doch gerade am Anfang einer glanzvollen Karriere als Sportstar stand - sozusagen kurz vor dem Durchbruch - mich liess man links liegen, die Drecksarbeit machen! Himmelsternendonnerwetter!
Und noch während ich erbost darüber nachdachte, sah ich den Zug anrucken, mein Team mitsamt Leiter winkte fröhlich aus den Fenstern des abfahrenden Zuges und ich hörte noch wie Herr Wyss mir zurief "Schnecke, warte einfach bis wir zurück sind!" Worauf ich mich ins Bahnhofbuffet verkroch und nach der 4ten Ovomaltine (mir war unterdessen speiübel) von einer begeisterten Truppe wieder abgeholt wurde. Die Abfahrt sei super gewesen. Prima...!

Gutgut, ein Start kann ja mal in die Hose gehen. Aber mir war klar, dass ich im Begriff war zu meiner Bestform aufzulaufen und wollte es allen zeigen. Der Nachmittag war für das Slalomtraining reserviert. Endlich war ich an der Reihe und konnte zeigen, was in mir steckte. Habe mich förmlich raketenmässig vom Startpunkt auf die Piste raus katapultiert ... und sah mich plötzlich einem Stangenwald gegenüber. Rechts und links Stangen, Stangen, Stangen - und ich hatte keinen blassen Schimmer wo ich da durchfahren musste. Rechts rum? Links rum? Mittendurch? Ich entschied mich für ein bisschen von allem. Meisterte die Strecke mit Bravour, aus meiner Sicht. Unten angekommen attestierte man mir einem durchaus schnittigen Fahrstil, der aber leider durch die eigenwillige Streckenführung, weitab der Ideallinie, meine Position nicht eben stärkte.

Auf den nächsten Tag habe ich mich abartig gefreut. Das Lauberhorn wartete auf mich! Ich stellte mir vor, wie ich vor den erstaunten Gesichtern durch den Hundsschopf runter donnerte - mutig, nahezu heroisch, angstlos. Ein Winntertyp eben. Zu diesem Themenpunkt möchte jetzt nicht ausschweifend Stellung nehmen. Ich möchte nur erwähnen, dass wenn man die Skier auszieht und in Zeitlupe ganz langsam dem Rande entlang, Schrittchen um Schrittchen in seitlicher Position nach unten schleicht, die Knie doch irgendwann zu zittern aufhören, der Angtschweiss nicht mehr in Bächen über die Stirn tropft und auch das Schwindelgefühl nachlässt.





Als wir am letzten Tag die Abfahrt von Grindelwald nach Wengen unter die Skier nahmen, war ich zugegebenermassen nicht sonderlich unglücklich. Nachdem ich auf dem schmalen Weglein plötzlich derart schnell Fahrt aufgenommen hatte, infolge der Enge des Weges ich nicht mal Stemmbogen machen konnte und keine andere Möglichkeit sah zu bremsen als in der einen Kurve geradeaus in den Schneewall zu knallen.... vergruben sich in diesem Moment mit mir meine Ambitionen jemals ein Skisternchen zu werden.




Parallel zur Skikarriere bastelte ich noch daran eine berühmte Kunstturnerin, eine grazile Ballerina oder eine ausdrucksstarke Eiskunstläuferin, eine grandiose Springreiterin zu werden. Und wenn alles nix wird, dann halt eine umschwärmte Schauspielerin oder begnadete Sängerin.
Es hat nicht sollen sein.
Aber was solls - dann wäre ich heute wohl mit irgendeinem stinkreichen Promi verheiratet, würde von der ganzen Welt verehrt und unter meinem Namen könnte man bei WIKIPEDIA all die Erfolge nachlesen.
Dann hätte ich meinen Schatz, mein Katerli, ja gar nie kennengelernt! Und würde nicht in "meiner" Garage arbeiten. Wäre nie auf den Gedanken gekommen einen Blog zu eröffnen - dazu hätte ich dann gar keine Zeit gehabt.
Vielleicht :-).

Aber im TRÄUMEN, SPINNEN und PHANTASIEREN bin ich Weltmeisterin! Das ist doch auch was!

Wie schön, dass alles ist, wie es ist.
ES IST GENAU RICHTIG SO!

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