Ich wohne in einer grossen Villa - erbaut im altrömischen Stil. Hohe Stukkaturdecken. Viele grosszügige Zimmer. Bäder in allen Varianten. Fitnessraum. Reitstall. Tennisplatz. Grosser Park mit altem Baumbestand und gepflegten Blumenzaubereien.
Da sitzen wir gerne im Sommer ... beim alten Brunnen unter den Linden. Wunderschöner Swimmingpool.
Das Ganze in leicht erhöhter Lage mit Blick auf den See. Tut gut, dieser Ort der Ruhe. Man kommt auch von der luxuriösesten Reise immer wieder gerne nach Hause.
Zum Glück genügend Personal - gut ausgewählt, zuverlässig, diskret.
Viel Geld und Zeit dies alles zu geniessen.
Ein herrliches Leben. Oder?
Meine ehrliche Meinung: Keine Ahnung.
Alles erstunken und erlogen.
Aber mein Freund Daniel (Stand heute) hatte einfach eine Lektion nötig. Ich mochte ihn nämlich gar nicht (Stand damals).
Es ist schon viele, viele Jahre her, dass ich an den Hockey-Matchs diesen Mann kennengelernt habe. Ein eigentlich im Grunde aufgeschlossener, sympathischer Typ - leider mit dem Hang zum Grössenwahnsinn und zur sogenannten High Society.
Ein kleiner Hochstapler mit grössenwahnsinnigen Ambitionen. Nicht immer - aber viel zu oft! Von Oberflächlichkeiten und Schein liess er sich gerne blenden und seine Entwicklung ging damals irgendwie in die falsche Richtung.
Ich persönlich muss ihm aufgefallen sein, als mich ein Bekannter nach einem der besagten Matchs mit seinem megateuren Designerporsche abgeholt hat. Während mir solche Statussymbole eher gegen den Strich gehen, Äusserlichkeiten wenig bis keine Bedeutung für mich haben und mich das Innere eines Menschen - sein Wesen, sein Sein, sein Charakter interessiert - erlangte ich per sofort die Aufmerksamkeit von Daniel.
Bei einer gemeinsamen, sehr humorvollen Bekannten holte er regelrecht Infos über mich ein und bekam genau das zu hören, was er sich erhofft hatte: Tochter aus bestem Hause, Heirat standesgemäss, stinkreich, beste Gesellschaft.
Ab da suchte er meine Nähe, probierte sich einzubringen, versuchte in diese sogenannt höheren Kreise via meine Person Einlass zu bekommen. "Die muss ich mir warmhalten" - so damals sein Kommentar. Brühwarm an mich weitergeleitet.
Dieses böse Spiel spielte ich mit, ich gab mich höchst versnobt, eingebildet bis zum Abwinken, impertinent, erlaubte mir durch mein Geld vermeintlich alles, was der gute Geschmack grundlegend verbietet. Ich benahm mich etepetete vom Feinsten. Trank Tee nur noch mit abgewinkeltem kleinem Finger und schnäuzte in Nastücher mit handgeklöppeltem Rande. Telefoniert habe ich in seinem Beisein mit der Garde der Prominenz aus Gesellschaft, Politik, Sport, Film und Fernsehen, den Schönen und Reichen ... dass mein Handy dabei stumm blieb, wussten schliesslich nur ich und die Freunde um mich herum. Erzählte nebenbei lachend von exorbitanten Verlusten im Casino und wo genau mir das vorbeigeht.
Ich mimte die protzige, reiche Kotzbrocken-Lady durch und durch.
Und er - er liess sämtliche Eskapaden durchgehen, biederte sich an, frass mir aus der Hand.
Die Herausforderung, diesem jungen Mann den Spiegel vorzuhalten und Diverses ins rechte Licht zu rücken ... ja, ich nahm sie gerne an.
Über mehrere Wochen liess ich dieses Bild so stehen und spielte die Rolle der Grande Dame. Irgendwann mal gab ich ihm dann meine Telefonnummer, habe ihn zu einem Dinner eingeladen - vergass selbstverständlich nicht zu bemerken, dass unser Butler James heisst und er, Daniel, sich dann einfach mit mir verbinden lassen solle. "... und bitte rufe 3 Tage im Voraus an, damit wir Dich verbindlich auf die Gästeliste setzen können. Es gibt übrigens köstlichen Kaviar - und später Hummer!".
Daniel rief auch zuverlässig an. Mein damaliger Mann nahm den Anruf entgegen und war sehr erstaunt, "James" genannt zu werden.
Ich liess Daniel gegenüber verlauten, dass unser Chauffeur ihn abholt und ihn zum Event in unsere Villa fahren wird. Daniel war äusserts beeindruckt, gebauchpinselt und stolz, dass er endlich den Einstieg in die höchsten Höhen der Gesellschaft schien geschafft zu haben.
Und genau DAS ist der Haken am Schein!
Abgeholt habe ich Daniel letztendlich mit meiner blauen Vespa. Fuhr ihn damit zum Grillplatz vor unsere stinknormale 4 1/2-Zimmerwohnung. Und bevor Schnitzel mit Kartoffelsalat serviert wurde, fand eine laute, emotional geführte, schwierige, nötige Diskussion statt.
Über Werte, Wertung und Wertschätzung. Über Geld und über Menschen.
Die Enttarnung war vollumfänglich.
Vor allem die Seine. Meine aber auch.
Das Schöne: er hat kapiert!
Wir lachen noch heute darüber.
SEITHER SIND WIR WIRKLICH FREUNDE
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