Gestern war einer der Abende, welche sich insbesondere Berufstätige mit einem langen Arbeitstag an Wochenenden nicht freiwillig aussuchen: Familienabend des Dachverbandes einer nicht näher benannt werden wollender Sportart.
Mit gesamtschweizerisch 2 Vereinen und total 28 Aktiven. Und die haben einen Dachverband. Auch wenn es sich nur - wie in diesem Falle - sozusagen um ein sehr kleines Vordächchen handelt. Aber sie haben diesen Dachverband, der seine Frontlettern in englischer Sprache ausgesprochen haben will. 28 Aktive tönen dann gleich nach viel mehr. Sozusagen einem ganzen Pulk an sporttreibenden Menschen. Einer schier nicht zu überblickenden Menge.
Ich gehe mal davon aus, dass Familienabende des Sportclubs egal welcher Couleur, sich stets ähnlich gestalten. Unserer war noch ein bisschen ähnlicher, weil wir Beiden - Schätzeli und ich - bis auf ein weiteres Pärchen mit Abstand die Jungspunde in der Runde abgaben. Der Rest 10 und mehr Jahre Plus. Tut soweit nichts zur Sache, wird aber einiges erklären.
Erwähnen möchte ich auf jeden Fall, dass besagte Aktiven mitsamt Familienmitgliedern durchs Band weg unglaublich liebenswerte, liebevolle, herzliche, spontane, humorvolle Menschen sind, die man sofort ins Herz schliessen muss.
So weit, so gut. Um 17.00h war Besammlung im Bärensääli. Apéro. Es wurde Weisswein, Orangensaft und Mineralwasser mit oder ohne gereicht. Dazu je 2 Salznüsschen, 2 Salzknabberstangen, 6 Paprika-Chips und 7 Wasabi-Chips / Person - (welche aber von den ganz Kleinen in der Runde, Enkelkindern, postwendend ausgespuckt wurden, da sehr scharf. Der anwesende Hund sorgte aber für Ordnung und frass mit Begeisterung), offeriert durch den Vordachverband.
Vom Weisswein habe ich nur ein kleines Schlückchen probiert. Ich persönlich nehm solche Sachen immer zum Kaffeemaschine entkalken. Hielt mich fortan an Mineralwasser mit Bläterli. Was sich aber im Nachhinein als ausserordentlich gravierender Nachteil rausstellte.
Nach 2 Stunden Apéro inkl. Ehrungen durch den englisch ausgesprochenen Dachverband, den obligaten Photos und gegenseitigem Händegeschüttel, durften wir endlich gen den grossen Speisesaal. Ich hatte Hunger und die Stiefel drückten so langsam. Der Blick fiel als erstes auf die schönen Kerzenleuchter. Der Saal war in ein wunderschönes, angenehmes Licht getaucht und gefiel. Sogar mit nur Mineralwasser!
Der zweite Blick allerdings, der fiel auf die Musiker. 2 Herren mittleren Alters, Hammondorgel, Handörglis und Gitarre. An den Mikros hingen grosse, knallgelbe Sombreros. Mit schwante Schlimmes. Und das sollte bei Weitem übertroffen werden. Die beiden Singdrosseln waren grad dran, ihre Ligth-Show zu installieren. Grosse, rotierende Strahler in rot, grün, blau und gelb. So, wie wir das in unseren Jugendzimmern vor rund 35 Jahren hatte.
Plötzlich begriff ich, wieso alle Anwesenden ausser uns sehr freizügig Wein und dergleichen genossen. Ich habe daraufhin zumindest vom roten Wein einen Schluck probiert - aber der war dermassen trocken, dass meine Zunge ganz pelzig und taub wurde, am Gaumen klebte und mir das Loch im Strumpf bei der Zehe vorne links zusammenzog. Die Alternative hiess: Leiden.
Das Essen war na ja. Mein Stück Rindsteak (Rindsblätzli à la minute) muss schon Jahre auf der Weide gewesen sein, selbstgemachte Kräuterbutter hat es aber ein wenig rausgerissen. Die Pommes zu lange in der Umluft, vom Gemüsebukett schweigen wir. Aber der Salat vorneweg war ganz toll, Nüssler mit Ei und Speckstreifchen - lecker. Die Senioren und Seniorinnen kamen ab dem 4 Glas Wein so langsam in Fahrt und nur ein paar ganz wenige Aussenseiter .. wir wohl die Ersichtlichsten ... fühlten sich merklich unwohl. Die Band gab alles: Von MENDOSINO über TANZE MIT MIR IN DEN MORGEN bis hin zu FIESTA FIESTA MEXICANA (hier kamen auch die Sombreros ins Spiel) - das Ganze Repertoire des letzten Jahrhunderts. Die Fetenhits der 70er. Hüttengaudi bis zum Abwinken.
Jede Wurzelbehandlung ist mir lieber! Selbst ohne örtliche Betäubung!
Während die 28 Aktiven, das Tanzbein schwingend und laut mitsingend, den Abend bereits nach dem Essen als total gelungen und in die Vereingeschichte eingehend bewerteten - blieb Katerli und mir nur noch die Flucht in die Gaststube runter. Um bei einem Latte die Nerven etwas zu beruhigen und den sehr grenzwertigen Sound zu verarbeiten. Die Serviertochter blickte uns mitleidig an und meinte, dies sei auch nicht soooo ihre Stilrichtung...
Ich hätte an diesem Abend, unterhaltungstechisch gesehen, kein Fix-it-Gel gebraucht. Die Haare standen auch so zu Berge!
Irgendwann mussten wir dann wieder hoch - damit wir nicht ganz ausserhalb der Regeln blieben. Man fragte schon, ob es denn nicht so gut gefallen würde. Wir antworteten wahrheitsgetreu und schonend, dass es nicht grad unsere präferierte Musikrichtung sei und wir eher Richtung Hard Rock und Pop tendieren. Keine 5 Minuten später tat man uns den Gefallen und spielte einen rockigen Song von Status Quo ... auf der Hammondorgel. Unsere Leidensfähigkeit kam so langsam an Grenzen. Trotzdem bedanken wir uns höflich für die erwiesene Aufmerksamkeit und das Eingehen auf unsere Wünsche. Man wollte uns gerne eingebunden sehen, in der Bande des Dachverbandes. Es war ja lieb gemeint ... aber es tat weh.
Gegen 22.00h war dann der Punkt erreicht, wo Polonaise angesagt war. So richtig ausgelassen, so wahnsinnig lustig, Arme schwenkend und singend:
"Und dann die Hände zum Himmel
kommt laßt uns fröhlich sein.
Wir klatschen zusammen und keiner ist allein.
Und dann die Hände zum Himmel
kommt laßt uns fröhlich sein.
Wir klatschen zusammen und keiner ist allein.
Wenn du heute nicht in der Stimmung bist,
laß doch alles so sein wie es ist.
Wir wollen trinken, noch einen trinken,
weil man die Sorgen dann vergißt.
Fühlst du dich manchmal auch so allein,
glaub mir, das brauchte gar nicht zu sein.
Denn heute Abend gehen wir feiern.
Die ganze Welt ist ein Verein.
Wir tun nur noch das was uns gefällt,
tanzen, singen im Saal oder Zelt.
Nicht alleine, denn das wird keiner.
Uns gehört die ganze Welt
und an Morgen wird heut nicht gedacht.
Wir feiern weiter die ganze Nacht.
Laßt uns heben, einmal schweben
und dabei wird nur gelacht."
Unterirdisch.
Wir wurden gezerrt und gezogen - "macht mit, es ist so lustig!". Und alle hielten die Hände zum Himmel, tranken, vergassen ihre Sorgen (und noch viel mehr), feierten, schwebten und keiner war alleine. Ausser Katerli und ich.
Das noch jüngere Pärchen hatte sich nämlich schon vor der Polonaise verabschiedet. Ich gehe davon aus, dass die Beiden bereits an einem Familienabend dabei gewesen sind. Es muss so sein!
Wir krallten uns an Tisch, Stuhl und aneinander fest, zahlten unsere Zeche und mussten dann unbedingt rasch möglichst unseren Zug erreichen. Besser so. Bevor man uns als absolute Stimmungskiller outete.
Selten bin ich so gerne von einer Feier weggegangen. Selten habe ich mich deplatzierter gefühlt.
Dabei hat es der englischsprechende Dachverband der 28 Aktiven doch so gut gemeint. Und das ist auch dankenswert. 24 davon hat es ja auch ausserordentlich gut gefallen. Das ist ok.
Man nehme es mir nicht übel, dass ich leider im nächsten Jahre infolge NORO-Virus an der Teilnahme verhindert sein werde.
Brechdurchfall ist gar nicht so schlimm wie man denkt ...!
Nicht böse sein. Aber wenn ich die Wahl habe zwischen Familienabend und NORO-Virus:
NORO-VIRUS!
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