Dienstag, 1. Dezember 2009

FRAU HOLLE, NERVEN UND ANDERE KATASTOPHEN

Nun ist es mir wieder passiert. Gopfridschtutz - ich bin manchmal so ein Schussel!

Es begann mit dem ersten Blick nach Draussen ... wähhhh .... alles voller Schnee. Und im Lichte der Strassenlaterne sah ich, dass Frau Holle immer noch so putzmunter wie die letzten 24 Stunden ihre Flocken aus dem Duvet schüttelte.
Das ist nicht unbedingt meine Jahreszeit. Und es gibt Dinge, welche ich mehr schätze, als kurz nach 6 Uhr am frühen Morgen zur Bushaltestelle zu pilgern - auf dem Weg bis dahin 3 x fast und 1 x richtig längelang hinzufallen. Aber ich WILL NICHT diese furchtbaren Stiefel mit den Kreppsohlen anziehen - auch wenn sie eine schier wundersame Bodenhaftung aufweisen. Nein, will ich nicht. Dann lieber die violetten, wunderschönen, trendy Stiefel mit der glatten Ledersohle. Wer schön sein will muss leiden...
Auch wenn die Bushaltestelle nicht weit entfernt ist - sie ist zu weit, um sich ohne Schirm auf den Weg zu machen. Nicht bei diesem Matschschnee! Da habe ich gestern schon meine Erfahrungen damit gemacht ... ich sah aus .... weit entfernt von meiner Bestform.
Gut denn - frau hat sich also heute Morgen mit Mann, Handtasche (schwer), Schirm und Plastiktüte (nicht so schwer) auf den Weg gemacht.
Natürlich ist an solchen Tagen der Bus bis auf den letzten Platz vollbesetzt - und ich muss dann immer gut auf meinen Schirm aufpassen. Der hat nämlich eine ziemlich schludrige Schliessvorrichtung und es ist nicht nur einmal passiert, dass ich einem harmlosen Passanten eine gute Portion Schnee oder Wasser - ja nach Wetterlage - mittig auf den Mann / die Frau gedonnert habe. Ich wurde schon des öftern deswegen verbal-vernichtend disqualifiziert.

Irgendwann steht man dann am Bahnhof und wartet vergeblich auf den Zug. Unter "Schneechaos" muss irgendwie im Kleingedruckten stehen, dass dies automatisch Verspätungen und Zugsausfälle zur Folge hat. So auch heute.
Katerchen und ich standen ganz zuvorderst, 2. Klasse. Gefühlte tausende Mitreisende mir uns. Der Zug fuhr ein ... und natürlich heute in einer anderen Komposition, was soviel heisst, als dass wir 1te Klasse fuhren. Sozusagen schwarz. - das Generalabonnement lautet auf 2.Klasse.
Aber sich ich bis hinten zur Holzbankklasse durchzudrängeln, wäre ein Ding der Unmöglichkeit gewesenen. Man denke an meinen Schirm. Und die schwere Handtasche. Und ans genervte Katerchen. Der ahnte nämlich schon, dass er heute seinen Anschlusszug verpassen würde.

Setzten wir uns also völlig unstandesgemäss in das Abteil der Reichen und Schönen. Waren einfach nur froh, einen Platz  zu haben und gen Arbeit zu kommen.
Lasen routinemässig die "20 Minuten".
Fall ihr euch erinnert - gestern hatte ich ja erzählt, dass ich meinem Chef ein tolles Album gebastelt habe. Mit Fotos, persönlichen Texten, Gedichten. Stundenlang habe ich gerne und mit Freude an dieser Arbeit gewerkelt - und bin megastolz, es so schön hingekriegt zu haben. Dieses Album hatte ich bei mir, in der Tüte. Gut geschützt, zusammen mit dem Glückwunschkärtli. Alles wäre so perfekt gewesen ....

... ihr wisst was jetzt kommt? 3 x dürft ihr raten!

Alles wäre total perfekt gewesen, hätte ich nicht in Bern den Zug OHNE diese Tüte verlassen! Und könnt ihr euch vorstellen, wie sich das anfühlt, wenn man die Türe zum Büro öffnet, die Jacke an den Bügel hängt, die Tasche aufs Pult und die Tüte .... DIE TÜTE ???!!!!!?????? Wo um Himmels Willen ist die Tüte??!!
Obschon ich gerade eben durch Kälte und Schnee gestapft war, hatte ich plötzlich kleine Schweissperlen auf der Stirn. Und weiche Knie. Mir war schlecht. Der Kreislauf kreiste. Sehr. Das Herz ... DONG DONG DONG!!! Ich zitterte wie Espenlaub.
Lasst mich jetzt einfach sterben. Schnell und schmerzlos.

Die Werkstattleute umkreisten mich staunend und waren für einmal ganz ruhig. Selbst der Chef wagte nur einen fragenden Blick.
Nach einem Telefonat mit dem äusserst netten Herrn der SBB - er redete mit mir wie mit einem kranken Esel, das auch noch völlig zu Recht - hatte ich zumindest die Gewissheit, dass mich so eine sofortige Suchaktion Fr. 50.-- kostet, dafür aber sehr erfolgsversprechend war.
"Lieber Gott, ich bin klein, mein Herz ist rein...", weiter wusste ich dann auch nicht mehr.

Irgendwie brauchte ich jetzt Zusprache. Nahm mein Handy und wollte gerade haltlos heulend mein Katerchen anrufen, als ich seine SMS las, dass er seinen Anschlusszug wirklich verpasst hätte und zurück im Zug von vorhin sei, halt auf Umwegen seinen Arbeitsplatz erreichen werde. DAS WAR DIE OFFENBARUNG! Ich versuchte ihn zu erreichen - wusste ich doch, dass er in nur wenigen Minuten sein Ziel erreichen würde und dann ... ! NEIN! Ich wollte nicht daran denken.
Himmel, haben meine Hände gezittert beim Nummer suchen und wählen. Und immer diese blöde Tante "Der Teilnehmer ist momentan nicht erreichbar". Das leicht hysterische Lachen veranlasste meine Männer in der Werkstatt  mir einen Tee zu bringen, ihn kommentarlos hinzustellen - mich ansonsten weiträumig zu meiden.

Dann endlich - ich hatte meinen Schatz am Draht! Dieses Gefühl! Ich schrie förmlich in den Hörer - "Album - holen - sofort - habe vergessen"! Dass er subito begriff, ist für mich immer noch ein Rätsel. "Beruhige Dich Schatz, ich bin zwar ganz am anderen Ende des Zuges, muss auch gleich aussteigen - aber ich probiere es".

5 Minuten später die SMS: "Alles ok". Die vorbeigehenden Menschen hörten selbst draussen meine extatischen Wonneschreie! So ein Tag, so wunderschön wie heute - so ein Tag, der sollte nieeeeeeeeeeeeeeeeeeeeeeeeeeeee vergehhhhhhhhhhhhhhhhhhhn!




Dass ich jetzt zu Hause mit einem tollen Essen und einem wunderbaren Geschenk auf meinen Schätzu warte - das ist wohl selbstverständlich.
Ich freue mich jeden Tag auf ihn. Aber heute freuefreuefreue ich mich!

Sohn Max hatte das Ganze via SMS irgendwie mitgekriegt - und weil ein baldiges Ableben meinerseits ihm keinen gefüllten Kühlschrank mehr garantieren würde, hat er doch rege Anteil genommen. Als ich ihn anrief und das Happy End berichtete, sagte Sohn:

"Du lässt Deinen Schlüsselbund am Roller stecken, vergisst ein solch wertvolles und einmaliges Geschenk, bringst es fertig Dein Feriengeldkuvert mit 2´000 Fr. in der Bank liegen zu lassen - aber Deinen Schirm, den hast Du noch nie vergessen!

MAM - DU BIST UNMÖGLICH!"

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