Donnerstag, 8. April 2010

DER MANN IM KINDE

Es war der 20. Juni 1989 - und er wollte und wollte einfach nicht das Lichte der Welt erblicken. Auch nach 38 Stunden immer noch nicht.
Da beschloss meine Ärztin, dass der Junge zu holen sein. Und zwar sofort! Per Notkaiserschnitt.

Das Letzte an was ich mich erinnere, ist die harte Liege im Operationssaal. Dann ging was gründlich schief und ich war drauf und dran mich weltlich abzumelden und bei den Sternen um Asyl zu bitten. Irgendwas oder irgendwer befand diesen Plan jedoch für abwegig und gewährte mir irdische Galgenfrist, die ich bis heute - und hoffentlich noch ganz lange - am Auskosten bin.
Am 23. Juni 1989 bin ich dann aus dem Koma auf der Intensivstation erwacht und man zeigte mir zum ersten Mal den Wonneproppen Max. Ein wunderbares Gefühl!

Max war ein handliches, ruhiges, fröhliches Baby. Erst mal. Mit 7 Monaten stiefelte der kleine Kerl dann schon munter in der Gegend rum - und genau dieser Tatsache ist es auch zu verdanken, dass ich 2 Polizisten und 4 Feuerwehrleute persönlich kennen lernen durfte.
Siehe:

http://sternenzaubers.blogspot.com/2009/10/feuerwehr-118.html

Mit 13 Monaten endlich sein erstes Wort: VELO. Der erste böse Kratzer in meinem mütterlichen Dasein. Mit 16 Monaten war er bekannt wir ein bunter Hund, weil er dauern Fahrräder klaute und diese neben sich her durch die Gegend schob. Mit liebevollen Blicken bedachte. Während die anderen Kleinkinder im Sandkasten ihre Burgen bauten, spazierte er mit Fahrrädern um den Sandkasten.
17 Monate alt war er, ich hatte nur kurz mal weggeschaut - und beim Aufblicken mein Kinde mitten in einem Pulk anderer Kinder auf einem kleinen Fahrrad sitzen sah, wild pedalend, ohne Stützräder. Als hätte er nie nie etwas anderes getan.

An seinem zweiten Geburtstag musste ein Fahrrad her. Das war sein einziger Wunsch, das und sonst gar nichts! Sollte Mäxchen seinen Frieden haben - und wir endlich unsere Ruhe. Nicht mehr stündlich den sohnemännischen Protestruf: "ICH WILL EIN FAHRRAD!"
Von wegen Ruhe!

Seine erste Aktion war: Mit dem kleinen Velo hinauf zur Rutsche und ... entgegen der üblichen Art normaler Kinder auf dem Hosenboden zu rutschen ... sich auf den Sattel zu schwingen und runter zu sausen. Dies alles passierte in einem derartigen Tempo, dass unser elterlicher Schrei noch nicht verhallt war, als Max’ vorderes Velorad sich ob dieser Aktion in den Boden rammte, das Fahrgestell sich grausam verbog und die Ära Velo Nr. 1 letztendlich geschätzte 20 Minuten gedauert hatte ...
Ich habe weder vorher noch nachher ein Kind jämmerlicher weinen sehen! Er kauerte vor seinem kaputten Schätzchen und war mehr als untröstlich. Wir brachten es nicht übers Herz es dabei zu belassen - Max kriegte, nebst einer klaren Ansage, sein 2tes Mini-Bike.
Ab diesem Augenblick waren wir Dauergast beim Arzt. Zeitweise pro Woche 3x zum Nähen. In gröberen Fällen Krankenhaus Notaufnahme. Man kannte uns beim Vornamen. Max fuhr Treppen runter, die Rampe der Einstellhalle, überquerte kamikazemässig unerlaubterweise Strassen, schleppte Fahrräder am liebsten in unwegsames Gelände ... vornehmlich sehr hügelig geartet ... und schoss im Affentempo runter. Balancierte auf dem Hinterrad, stoppte so brüsk dass sich das kleine Bike aufstellte, machte Kapriolen und Kunststücke.

Nun sind seither 19 Jahre vergangen. Und was soll ich sagen - aus dem Kinde von damals ist ein stattlicher junger Mann geworden. Und wie damals, so dreht sich auch heute seine Welt um den Bikesport. Mittlerweilen äusserst erfolgreich. Wo genau er die Motivation und die Energie her nimmt, nebst seinem Job das tägliche Training zu 110% gewissenhaft und total motiviert zu absolvieren ... ich weiss es nicht.
4 Stunden, selbst am kältesten Wintertag, das sitzt er auf einer Pobacke ab. Und dann noch Krafttraining. Koordinationstraining. Massage.

Nun ja, was die Energie anbetrifft, da kenne ich sie zum Teil, seine Energiequellen. Die Spezialeinkaufslisten und trotzdem ewig leeren Kästen, der ausgeräumte Kühlschrank ... kaum hat er der Küche seinen Besuch abgestattet ... es spricht für sich. Sagt er das Wort "Hungerast" - und das sagt er relativ oft - wird meinem Schatze und mir Angst und Bange. Ich meine einen Zusammenhang zwischen der bereits in der Bibel beschriebenen Heuschreckenplage und Max’ Hungerästen zu ersehen! Das Ergebnis ist beide Male dasselbe: gähnende Leere, wo vorher so viel an Gutem war.

Seine Essgewohnheiten sind eh sehr eigen: Guckt man in unseren Küchenschrank, dann zeigt sich eine Auswahl an Müeslis - ein Reformhaus kann nicht besser bestückt sein! Jede Art an Flocken, mit und ohne Calcium /Magnesium, Flocken mit Ovomaltine, Flocken mit getrockneten Früchten, Sonntagsflocken mit einem Hauch von Schokoladestückchen, 4-Korn-Flocken, Haferflocken, Dinkelflocken, Knusperflocken - Flocken über Flocken, Hauptsache ohne Zuckerzusatz!
Bei den Milchprodukten sollte es dann schon die Sojamilch sein, gerne Bio. Ansonsten entrahmte Joghurts und leckerer Käse. Vollkornbrot in groben Mengen, Früchte kiloweise - die Fruchtfliegen skandieren im Sommer bestimmt den Namen ihres Gönners. Bei Fleisch ist er nicht wählerisch, es darf Rindssteak, Lammfilet, Strauss, Poulet oder auch Kalbsschnitzel sein. Für zwischendurch mal ein Häppchen Bündnerfleisch und Mostbröckli, Roastbeef, wahlweise Parmaschinken ohne Fettrand.
Zusätzlich Fisch jede Woche. Gemüse erwähne ich gar nicht, ist selbstverständlich. Dies alles aber bitte nur mit jungfräulichem Olivenöl angemacht. Meersalz, logo. Und Kräuter anstelle von Glutamatbomben.
Was leben wir dank Max gesund! Würden wir nicht ab und zu mal im Restaurant gnadenlos sündigen - wir hätten eine Auszeichnung für gesundes leben verdient! Glattweg!

Auch sonst wird peinlich genau auf alles geachtet - selbst aufs Shampoo. Koffeinshampoo kommt wortwörtlich und tatsächlich nicht in die Tüte. Könnte Dopingalarm auslösen. Und hat er mal Schnupfen oder was auch immer, unser armer Hausarzt muss dann stets erst sein Riesenwälzer bemühen, bevor Max auch nur in die Nähe eines Medikamentes gelassen wird.

Ich mag es übrigens überhaupt nicht, wenn ein Anruf kommt, der mit "Hier ist das Krankenhaus XY, leider ..." beginnt. Zeitweise scheint er da nämlich ein Abonnement gelöst zu haben. Was ich schon alles für Notfallstationen kenne, unglaublich! Das Krankenhaus in Lugano mag er übrigens ganz besonders, dort hätte es nette und hübsche Krankenschwestern. Und er der bewunderte Sportheld.
Kind!


Von den Wäschebergen will ich gar nicht reden. Es würde ein Monolog ohne Ende. Reicht völlig, wenn ich davon schlecht träume. Und gerne würde ich auch mal mit dem Designer dieser Sportswear plaudern, vielleicht kann er mir dann erklären, warum alles in empfindlichem weiss / rosa / hellviolett gehalten ist!?! Zugegebenermassen meine Lieblingsfarben - aber bestimmt nicht, wenn alles über und über mit Matsch vollgesaut ist und Max schon Schnappatmung kriegt, sollten die Dresses nicht wieder makellos rein werden.
Schliesslich haben auch die Sponsoren Ansprüche! Und die wollen einen sauberen Max! In jeder Hinsicht!

Punkto Sponsoren. Das ist schon eine verrückte Sache. Unglaublich, was dieser Sport an Kosten verschlingt - toll, dass seine Sponsoren dies in dem Masse so mittragen. So nebenher darf er dann auch noch Fotomodell spielen.
Ich will auch - zumindest einen Sponsor!

Er fährt jetzt bei den Grossen mit, pendelt zwischen Spanien, Italien, England, Belgien, Deutschland - nebst all den Events in der Schweiz. Aus dem Kinde von damals ist ein richtiger Crack geworden. Ein wildes Ding.
Aus Kindern werden Kerle.
Wir finden das toll.


Seine nächste Aktion werden dann wohl die Autogrammkarten sein. Ich sehe es kommen. Habe diesbezüglich natürlich bereits meine Ansprüche angemeldet. Er soll doch bitte auf der Rückseite gut lesbar seinen Dank vermerken. Vielleicht noch ein kleines Bildchen von mir. Vermerkt mein Link zur Sternenzauberseite. Mit Sternchen drum rum. In rosa. Dann wäre ich zufrieden.

Er hat sich scheckig gelacht. Und mir den Vogel gezeigt.


UNDANKBARE BRUT!  :-)

4 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Guter Beitrag. Und Hut ab vor dem Junior!

Lieber Gruss
Peter

Anonym hat gesagt…

Suuuuuuuuuuuuuuper!
Geillll!

Kuule Story!

Anonym hat gesagt…

jööö, üse flo=D

isch super gschribe!

lg martina

Sternenzaubers Geschichtenhimmel hat gesagt…

Danke vielmals für die lieben Reaktionen. Für Deine - Martina - ganz besonders. :-)

Ganz liebe Grüessli
Sternenzauber

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